Der Hund des Todes
wäre es, wenn wir zur Sache kämen?«
Ihr Gesicht nahm einen verschlagenen Ausdruck an: »Ja, aber wie schneide ich dabei ab? Was ich hier habe, ist wertvoll. Sagen wir mal, hundert Pfund.«
Hier legte sich Mr Mayhew ins Mittel: »Ich fürchte, so hoch können wir uns nicht versteigen. Aber wenn Sie uns vielleicht Näheres über dieses geheimnisvolle Angebot verraten würden…«
»Ich verstehe schon. Ihr wollt natürlich keine Katze im Sack kaufen. Aber ihr könnt ganz beruhigt sein. Ich habe schon das richtige ›Material‹.« Sie öffnete ihre schäbige Handtasche und zog ein Bündel Briefe hervor. »Hier ist es. Briefe.«
»Briefe«, fragte Sir Wilfrid, »die Romaine Vole dem Angeklagten geschrieben hat?«
»Dem Angeklagten? Dass ich nicht lache. Den armseligen Schlucker hat sie ja richtig an der Nase herumgeführt.« Sie kniff ein Auge zu. »Ich habe was zu verkaufen, mein Lieber, vergessen Sie das nicht. Da werde ich die Katze nicht einfach so aus dem Sack lassen.«
Mr Mayhew schaltete sich diplomatisch ein: »Wenn wir einen Einblick in die Briefe tun dürften, könnten wir Ihnen sagen, wie viel sie uns wert sind.«
»Aalglatt, was? Aber wie gesagt, ihr sollt sie nicht unbesehen kaufen. Doch was dem einen recht ist, ist dem anderen billig. Wenn ihr den Jungen durch diese Briefe freikriegt und das ausländische Weibsbild dahin bringt, wo sie hingehört, dann heißt es hundert Pfund für mich herausrücken. Gemacht?«
Mr Mayhew nahm zehn Pfund aus seiner Brieftasche. »Wenn diese Briefe der Verteidigung von Nutzen sind, bin ich bereit, Ihnen zehn Pfund für Ihre Auslagen anzubieten.«
Die Frau kreischte förmlich los: »Was? Zehn lumpige Pfund für solche Briefe! Kommt überhaupt nicht infrage.«
Sir Wilfrid ging zu Mayhew hinüber und nahm ihm die Brieftasche und das Geld aus der Hand. Dann wandte er sich wieder der Frau zu. »Wenn ein Brief darunter ist, der dazu beiträgt, die Unschuld meines Klienten zu beweisen, dann wären Ihre Unkosten mit zwanzig Pfund wohl nicht schlecht bezahlt.«
Mit diesen Worten entnahm er der Brieftasche weitere zehn Pfund und reichte sie seinem Freunde leer wieder zurück.
»Fünfzig Pfund«, erklärte die Frau, »und die Sache ist gemacht.«
»Zwanzig Pfund und nicht einen Penny mehr.« Sir Wilfried blieb jetzt eisern.
Als er das Geld auf den Tisch zählte, leckte sich die Frau die Lippen. Es war mehr, als sie erhofft hatte.
»Na, meinetwegen, ihr Gauner. Da habt ihr sie. Ein ziemlicher Packen. Der oberste wird den Kram schon schmeißen.«
Sie legte die Briefe auf den Tisch und wollte gerade das Geld einstecken. Aber Sir Wilfrid kam ihr zuvor: »Einen Augenblick noch! Woher wissen wir denn, ob es ihre Handschrift ist?«
»Die Briefe sind von ihr geschrieben, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«
»Ich besitze einen Brief von Mrs Vole«, sagte Mr Mayhew, »aber leider nicht hier, sondern in meinem Büro.«
»Dann müssen wir uns eben für den Augenblick auf Sie verlassen«, meinte Sir Wilfrid und händigte ihr das Geld aus.
Er glättete die Briefe und begann zu lesen, während die Frau ein paar Schritte auf die Tür zu machte.
»Unglaublich«, stieß Sir Wilfrid hervor.
»Diese kaltblütige Rachsucht!«, erklärte Mr Mayhew, der über Sir Wilfrids Schulter hinweg mitlas.
Sir Wilfrid ging auf die Frau zu: »Wie sind Sie überhaupt zu den Briefen gekommen?«
»Das möchtet ihr wohl wissen!«
»Was haben Sie eigentlich gegen Romaine Vole?«
Die Frau ging langsam zum Schreibtisch, drehte die Lampe so, dass das Licht voll auf ihr Gesicht fiel. Dann schob sie ihr Haar zur Seite. Sir Wilfrid wich mit einem Ausruf des Entsetzens zurück; die Wange war völlig zerschnitten und durch rote Narben entstellt.
»Mein Gott, hat Mrs Vole das getan?«
»Sie nicht. Aber der Kerl, mit dem ich ging. Es war ein ernstes Verhältnis. Er war ja ein bisschen jünger als ich. Aber er mochte mich gern und ich liebte ihn. Dann kam sie dazu, verliebte sich in ihn und hat ihn mir abspenstig gemacht. Zuerst hat sie sich heimlich mit ihm getroffen, und eines Tages haute er ab. Ich ging ihm nach und fand sie zusammen. Ich habe ihr dann gesagt, was ich von ihr hielt, und da ging er auf mich los. Er gehörte zu einer Rasiermesserbande und hat mein Gesicht schön zurechtgestutzt. ›So, jetzt sieht dich kein Mann mehr an‹, hat er noch gesagt.«
Sir Wilfrid fragte tief gerührt: »Haben Sie ihn nicht angezeigt?«
»Ich? Seh ich so aus? Außerdem war er ja nicht schuld daran,
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