Der Hurenkiller - Das Morden geht weiter (Wegners schwerste Fälle) (German Edition)
Wochen tun, um einen weiteren Mord zu verhindern? Wie konnten
sie künftigen Taten zuvorkommen?
Früher Morgen auf dem
Revier. Die Beamten der Nachtschicht wirkten müde. Die der langsam
eintrudelnden Frühschicht eher unnatürlich aufgekratzt. Wegner kannte die
Tücken der immer wiederkehrenden Wechselschichten nur zu gut. Ein wirkliches
Privatleben stellte sich nur schwer ein. Familien zerbrachen haufenweise an den
Widrigkeiten des permanent wechselnden Tagesablaufes. Als Hauptkommissar konnte
er schon seit langer Zeit selbst seinen Dienstplan bestimmen. Keiner schrieb
ihm, als Leiter der Mordkommission vor, wann er wo zu sein hatte. Einer der
wenigen Vorteile an seinem Posten.
Ein Haufen Kollegen
drängte sich bereits vor der Tür zur Kantine. Jeden Moment würde Herta
aufschließen, um die hungrige Meute hereinzulassen. Warum diese Narren immer
wieder auf pappige Brötchen und dünnen Kaffee hereinfielen, war Wegner ein Rätsel.
Jetzt aber bog auch er ab und schloss sich als Letzter der Warteschlange an.
Sein Blick fiel auf den Stapel eines bekannten Boulevardblattes, dessen
einziger Vorteil die zweifellos attraktiven Mädchen auf der Titelseite waren.
Als er die riesige Schlagzeile las, krampften sich seine Eingeweide regelrecht
zusammen: »Wildwest in Hamburg - Lynchjustiz durch Staatsdiener!«
Wegner schnappte sich
eines der Blätter und verzog sich grimmig in sein Büro. Stefan Hausers leerer
Platz wirkte noch zusätzlich frustrierend. Kraftlos ließ er sich hinter seinen
Schreibtisch sinken. Er legte die Zeitung vor sich hin und überflog frustriert
sein »Todesurteil«.
Der Leiter der
Hamburger Mordkommission hätte, nach einem komplett missglückten Einsatz, das
Recht einfach selbst in die Hand genommen. Sich hierdurch weit über die Grenzen
der Justiz und der Moral hinweggesetzt.
»Vielleicht haben
diese Idioten vergessen, dass der verrückte Zahnarzt insgesamt acht Menschen
auf dem Gewissen hatte«, ging es Wegner verbittert durch den Kopf. Auch den
zweiten MEK-Beamten, dessen Hals von einer Kugel durchschlagen wurde, hatte man
in der Klinik nicht mehr retten können. Zusammen mit der afrikanischen
Putzfrau, dem zweiten Polizisten und den fünf Opfern seiner Drogenverkäufe,
hatte Mike Gerlach es auf eine traurige Vielzahl von Leichen gebracht, deren
Tod er allein zu verantworten hatte. Vermutlich hätten sie ihm in einem
späteren Gerichtsprozess Schuldunfähigkeit attestiert. Seine darauffolgenden
Jahre in einer geschlossenen Abteilung der Psychiatrie wären sicher grauenvoll
geworden. Drei Mal am Tag Warmes, hübsche Krankenschwestern und zum Ausgleich
Sport und Reittherapie. Wegner konnte regelmäßig kotzen, wenn Verbrecher derart
»bestraft« wurden.
Es war schon fast
neun, als sein Telefon klingelte. Wo waren nur die letzten Stunden
geblieben? , fragte sich Wegner. Wieder und wieder schellte es blechern,
wollte einfach nicht aufhören. Die Nummer kannte der Hauptkommissar nur zu gut.
Sie gehörte zu Hans Schreiber - seines Zeichens leitender Polizeidirektor und
somit sein direkter Vorgesetzter. Es war aber nicht Angst, die seine Hand
lähmte - bestenfalls vor sich selbst und dem, was er unbedacht sagen könnte. Es
war viel mehr das sichere Wissen, dass nach diesem Anruf nie wieder etwas so
sein würde, wie es einmal war.
Es wollte einfach
nicht aufhören zu klingeln. Wie in einem unkontrollierten Reflex schoss Wegners
Hand nun zum Hörer.
»Hans! Wie geht es
dir ... was machen die Kinder?« Die beiden hatten sich schon vor vielen Jahren
auf einem Polizeiball näher kennengelernt. Seitdem mochte und schätzte man sich
gegenseitig. Als er noch mit Gisela verheiratet war, hatten sie sich sogar ein
paar Mal abends getroffen. Waren gemeinsam Tanzen oder ins Kino gegangen.
»Hallo Manfred«, man
merkte, wie schwer es Hans Schreiber fiel, dienstlich zu werden. »Jutta geht es
gut und die Kinder wachsen wie Unkraut. Der Junge ist nächsten Monat mit dem
Studium fertig.«
»Da kannst du mehr
als stolz sein.«
»Das bin ich,
Manfred. Danke.«
Eine unangenehme
Pause entstand, denn keiner von beiden mochte mit dem leidigen Thema anfangen.
»Aber deshalb rufst
du sicher nicht an, oder?« Wegner wurde es zu dumm. Er war nicht der Typ, der
lange um den heißen Brei herumredete.
»So ist es - leider.«
»Na dann fang einfach
mit der Hinrichtung an! Wann und wo wollen sie mich erschießen?«
»Na ganz so weit ist
es noch nicht«, jetzt lachte Hans Schreiber sogar ein wenig, »ich habe mit
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