Der Hurenkiller - Teil II (Wegners schwerste Faelle)
oder ein Dirigent. Wir müssen diese ganze Szene noch
mal etwas genauer unter die Lupe nehmen.«
Kurze Zeit später klopfte es an der Tür. Frank
Müller trat ein und wirkte alles andere als gut gelaunt. »Morgen, Herr Wegner.
Schön, dass Sie wieder ...«, fassungslos starrte Müller in den Papierkorb, der
direkt vor seinen Füßen stand. »Das sind doch wohl nicht meine Familienfotos
...?«
»Ich kenne Ihre Familie nicht. Die Bilder standen
auf meinem Schreibtisch und da ich nicht wusste wem sie gehören, hab ich sie
weggeworfen. Da ist auch noch ein halber Schokoriegel ... falls Sie den noch
Essen möchten.«
Müller fischte die Bilder aus dem Abfalleimer und
stand mit offenem Mund vor den beiden Kollegen. »Wenn Sie nichts dagegen haben,
Herr Hauptkommissar, beantrage ich noch heute meine Versetzung.«
»Ist genehmigt ... auf Wiedersehen.«
Als sich die Tür hinter Müller geschlossen hatte,
schaute Hauser Wegner eine ganze Weile lang durchdringend an.
»Was?«
»Glaubst du nicht, dass du vielleicht etwas zu hart
warst.«
»Nein!«
»Aber ...«
»Nichts aber. Der Kerl kritisiert unsere Arbeit
schon seit dem ersten Tag. Weiß alles besser ... kann alles besser, und hat an
allem etwas auszusetzen.«
»Okay, das stimmt schon.«
»Letztes Jahr hat er mich bei Schreiber
angeschissen, weil ich ihm seine Überstunden nicht abgezeichnet habe.«
»Das wusste ich gar nicht.«
»Wir sind Kollegen, nicht verheiratet«, keifte
Wegner weiter, »außerdem liegen harte Zeiten vor uns. Da muss ich mich auf
jeden Mann verlassen können und brauch hier keinen, der nur auf einen Fehler
wartet.«
»Du hast Recht. So hatte ich es nicht gesehen.«
»Wenn er heute nicht freiwillig gegangen wäre, dann
hätte ich ihm seinen Fortgang schon in der Mittagspause nahegelegt. Er ist mir
also nur zuvorgekommen.«
»Sag mal, Manfred?«, begann Hauser nach kurzer Pause
erneut.
»Ja.«
»Was ist denn das da für ein Ring an deinem Finger?«
»Vera und ich haben geheiratet. Wenn du hier
irgendeinem davon erzählst, dann solltest du dich auch ganz schnell nach einer
neuen Stelle umsehen.«
Das Telefon klingelte und Hauser nahm den Hörer ab.
»Guten Abend, Herr Schreiber«, so förmlich kannte
Wegner seinen Kollegen gar nicht. »Ja, er ist da. Sitzt mir gegenüber. Moment
bitte.«
»Hans! Wie sieht es aus? Willst du mich doch
entlassen?« Wegner bevorzugte die Offensive. Darin war er zuhause.
»Unsinn, Manfred. Du bist doch mein bestes Pferd im
Stall. Und machst am meisten Mist.«
»Gern geschehen. Aber woher kommt denn dieser
plötzliche Sinneswandel?«
»Ausschlaggebend sind wohl die letzten Berichte über
deine Heldentaten. Bei ihrem Verhör konnte sich die Hobbyjournalistin nicht
einmal mehr genau daran erinnern, ob unser verwirrter Zahnarzt nicht doch noch
seine Waffe in Händen hielt, als du es beendet hast. Es ging eben alles so
schnell. Sie ist übrigens selbst Mutter zweier Kinder.«
»So kann sich das Blatt wenden.«
»Und was ist mit unserem Termin beim Innensenator?«
»Dem kannst du gerne bestellen, dass er sich lieber
um unsere Ausstattung und die zuletzt verstorbenen Kollegen kümmern soll. Von
einem griesgrämigen Hauptkommissar würde ich ihm dringend abraten.«
»Da hast du allerdings Recht.«
Kapitel 24
Donnerstagabend. Müde kletterte Martin Schiller die
Reling hinab. Fast vierundzwanzig Stunden Dienst am Stück lagen hinter ihm.
Ausgerechnet in Bremerhaven hatte sich der zweite Offizier bei seinem Rundgang
den Fuß gebrochen. Da vor Ort kein geeigneter Ersatz zur Verfügung stand,
musste er dann auch dessen Schicht übernehmen.
Als er ins Taxi stieg, fand er zum ersten Mal Zeit
tief durchzuatmen. Dieses Mal würde er sich ein vernünftiges Hotel in Hamburg
nehmen. Die Reederei bezuschusste Übernachtungen nur mit fünfundsiebzig Euro
täglich. Das reichte in der Innerstadt nicht einmal für ein anständiges
Stundenhotel aus. Den Rest würde er eben aus eigener Tasche obendrauf zahlen.
Die mindestens fünfhundert Euro, welche er für die erste Begegnung mit Sandy
fest verplant hatte, würde er ja auch sparen. Es sollte schließlich auch gleich
ihre letzte sein ...
Auf der nicht enden wollenden Fahrt durch die
Hamburger Innenstadt kam er plötzlich auf eine Idee. Warum sollte er Sandy
nicht einfach eine SMS schicken? Sie fragen, ob sie ihr Treffen um einen Tag
vorverlegen wollten. Vier Wochen auf hoher See hatten ihre Spuren hinterlassen.
Er war so scharf auf sie, dass er kaum die
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