Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
Vom Netzwerk:
Faszination mitten in der Bewegung erstarrt. Als sei sie eine Skulptur, hielt sie ihr Tablett in der Hand, die Augen weit aufgerissen. Vorsichtig schob ich meinen Stuhl zurück und legte den Finger auf die Lippen.
    Dies brach den Bann. Céline nickte.
    »Sie sind …«
    »Macht dies etwas aus?«
    Rückwärts gehend, mit ausgestrecktem Arm, entfernte ich mich. Als ich die Türklinke fühlte, rief ich Claude forsch beim Namen und befahl ihm, seine Zeche zu begleichen. Sofort darauf wandte ich mich um. Derart plötzlich angesprochen, zuckte Claude erschrocken zusammen und raunzte Céline an, ihn nicht länger anzuglotzen. Er habe schon verstanden.
    »Mensch, habe bloß geträumt. Also, was bin ich schuldig?«
    Draußen hatte es zu regnen begonnen. Auf den rußbeschmierten Fassaden glitzerten Wassertropfen, und auf den Straßen bildeten sich Pfützen. Katzen huschten unter Dachüberstände, Passanten hasteten von einem Eingang zum nächsten. Türenschlagen, Fensterknallen, helle Hufschläge, knirschende Eisenreifen, ächzendes Holz, spritzendes Schmutzwasser – aber mir war es gleichgültig, ob mein Rock litt. Denn endlich fühlte ich mich soweit gestärkt, auch den letzten Schritt zu tun.
    Hinter den Flügeltüren des „Grand Empereur“ tat sich ein kahler kirchenähnlicher Vorraum auf. Ich trat auf eine weiß lackierte Tür mit einem Spion zu und klopfte. Sofort wurde geöffnet. Der farbige Türsteher trug die Tracht eines türkischen Paschas und Mademoiselle Ivy, die mich an die Hand nahm, den dazu passenden durchsichtigen Schleier. Sie war rothaarig und roch nach Pfirsichen. Ich hätte sie am liebsten gleich genommen, obwohl sie mit ihren großen Brüsten den ländlichen Ammentyp verkörperte, der eigentlich nicht meine Kragenweite war.
    »Wenigstens Sie, Monsieur, haben uns nicht vergessen«, meinte sie treuherzig und schob nach, dass das häßliche Wetter und die dumme Polizei daran Schuld seien, dass es heute so still sei.
    »Sind vorgestern hier hereingeschneit, weil sie meinten, es würde sich einer von der Carbonaria hier verstecken! Diese Gemeinheit! Dabei wollte Gavaut, dieser blödeste Hund eines Arrondissement-Bullen, sich nur rächen. Madame hat ihm nämlich die Freistunden herabgesetzt. Dieser Wüstling! Zusätzlich wollte er Champagner bis zum Umfallen. Himmel noch mal! Alte Kunden sind verärgert, neue müssen erst gewonnen werden. Aber wer ersetzt uns jetzt den Verdienstausfall? Das sollten Sie mal schreiben! Sie sind doch bestimmt von der Zeitung, ja?«
    »Keine Spur. Ich bin nur der Retter La Belle Fontanons. Jetzt dürfen Sie mich retten, wenn es Ihnen gefällt.«
    Mein freimütiges Geständnis besaß größere Suggestivkraft, als hätte ich Geldscheine zum Fliegen gebracht. Und in der Tat – daraufhin wurde ein Märchen wahr, eine phantastische Geschichte und der Traum eines jeden Wollüstlings: Es war einmal ein Hypnotiseur, der, als er sich in einem besseren Etablissement mit einer Schönen vergnügen wollte, gleich fünf von ihnen auf seinem Diwan versammeln konnte. Und weil er eben Hypnotiseur war und die Sterne dies so wollten, lauschten sie alle seinen Geschichten, während sie abwechselnd Liebesdienste an ihm verrichteten, denn erstens hatten die Mädchen nichts zu tun und langweilten sich, zweitens waren sie neugierig auf meine suggestiven Fähigkeiten, und drittens war La Belle Fontanon zufällig eine ehemalige Kollegin.
    »Sie ist doch unser Vorbild! Schließlich begann hier ihre Karriere! Madame erzählt immer wieder gerne, wie sie mit einer Freundin – die Freundin ist jetzt allerdings längst in der Salpêtrière – hier anklopfte. Beide kamen zu sie und fragten sie, ob sie sich ein Geschäft pro Woche verdienen könnten. Madame sagte zu, dann aber kam La Belle zwei Tage später wieder und wollte zwei Geschäfte die Woche. Wieder einen Tag drauf wollte sie drei Geschäfte. Sie käme sonst einfach nicht hin mit dem Geld, lamentierte sie und versprach, am Sonntag den ersten Kunden zu empfangen. Ein Professor für Sprachen war´s, der sich sofort in sie verguckte, als sie mit weißen Strümpfen aber todernstem Gesicht auf ihn zuschlich. Sie nahm ihm Stock und Zylinder ab, seufzte und sagte: ‚Wenn ich nicht wüßte, dass Cicero und Seneca mein Tun billigten, würde ich mich töten.‘ Der Satz brachte den Professor schier um den Verstand. La Belle nahm ihn mit sich und kam zehn Minuten später glücklich zurück. Mehr ist es nicht? rief sie ein ums andere Mal. Madame zuckte mit den

Weitere Kostenlose Bücher