Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
Taschenlampe konnte er auch nicht benutzen, da man in der Dunkelheit den wandernden Lichtschein sehen würde. Kabel. Unter den Hauptrotorblättern und dem Heckrotorblatt. Mit Hilfe der Türklinke und eines Fensterrahmens zog er sich vor dem Cockpit auf den Rumpf der Maschine hinauf, kletterte über die gewölbte Frontscheibe noch höher und kroch auf Händen und Knien ganz langsam und vorsichtig über den Rotorkopf zum Triebwerk. Er zog die Drahtschere aus dem Gürtel, richtete sich auf und hatte fast im Handumdrehen alle Kabel durchtrennt, die er im schwachen Mondlicht sehen konnte.
Ein kurzer, gellender Pfiff. Emilios Signal. Der Posten war auf
dem Hügelkamm aufgetaucht und würde den Landeplatz schon in wenigen Minuten erreichen. Doch Kendrick, der Ingenieur, war nicht zufrieden. Hatte er die Maschine flugunfähig gemacht oder nur verwundet? Er mußte noch nach achtern, um ganz sicherzugehen. So schnell wie möglich, aber trotzdem sehr umsichtig, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und abzurutschen, kroch er über das schräg abfallende Dach nach hinten und sah überhaupt nichts; alle mechanischen Teile steckten hier unter der Metallverkleidung. Aber nein, alle doch nicht. Rittlings auf dem glatten Rumpf sitzend, hielt er sich an der Stabilisierungsflosse fest und entdeckte, als er sich vorbeugte, zwei dicke, seilähnliche Kabel, die in die Heckrotorblätter führten. Wütend begann er eines der beiden Kabel mit der Heckenschere zu bearbeiten. Der Schweiß lief ihm in die Augen und tropfte auf die glänzende Verkleidung der Maschine, und endlich hörte Kendrick zu seiner größten Genugtuung, wie zwei Kabelstränge rissen. Als nächstes hörte er ein schnappendes Geräusch – ein viel zu lautes, durchdringendes Knacken in der Stille der Nacht -, und ein Teil der Stabilisierungsflosse brach seitlich herunter. Er hatte es geschafft. Fliegen konnte dieser Vogel nicht mehr.
Laufende Schritte. Ein bellender Ruf: »Que cosa? Quedese!« Unter dem Heckrotor stand der Posten. Das Gewehr in seinem rechten Arm zielte auf Kendrick, und mit der linken Hand fummelte er an dem an seinem Gürtel befestigten Alarmgerät herum.
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Das durfte einfach nicht sein! Als habe er plötzlich völlig das Gleichgewicht und die Kontrolle über sich selbst verloren, hob Kendrick die Arme und ließ sich vom Rumpf des Hubschraubers gleiten. Er ließ die Heckenschere los, sie fiel senkrecht hinunter, prallte gegen den Gewehrschaft, und die Waffe wurde dem Posten aus der Hand gerissen. Er öffnete zwar den Mund zu einem Schmerzensschrei, aber noch ehe ein Laut über seine Lippen kam, war Emilio über ihm und gab ihm mit dem stumpfen Ende der Machete eins über den Schädel.
Dann wandte er sich Kendrick zu. »Können Sie gehen?«
flüsterte er. »Wir müssen weg. Schnell weg. Der andere Posten wird gleich hier auftauchen.«
Kendrick, der sich auf dem Beton vor Schmerzen krümmte, nickte und griff, während er mühsam aufstand, nach der Hekkenschere und dem Gewehr. »Schaff ihn weg«, sagte er. Doch der Befehl war überflüssig, denn Emilio wußte, was er zu tun hatte, und zerrte den Bewußtlosen schon über den Landeplatz in den hohen Grasgürtel hinüber.
Hinkend, denn sein linker Fußknöchel und sein rechtes Knie brannten wie Feuer, folgte ihm Kendrick.
»Ich habe einen Fehler gemacht«, flüsterte Emilio kopfschüttelnd. »Wir haben nur eine einzige Chance... Ich habe Sie beim Gehen beobachtet. Wir schaffen es nie bis zur Pier und zu den Booten, ohne entdeckt zu werden, weil der andere Posten seinen compañero viel früher vermissen wird.« Er zeigte auf seinen bewußtlosen Landsmann. »Ich muß er sein, und vielleicht kann ich den anderen in der Dunkelheit täuschen.«
»Er wird zuerst rufen und dich fragen, was passiert ist. Was wirst du sagen?«
»Ich wollte mich im Gras erleichtern und habe mich in meiner Hast an einem spitzen Felsbrocken gestoßen. Ich werde hinken wie Sie und ihm sagen, er soll sich die Wunde ansehen.«
»Und du glaubst, daß du damit durchkommst?«
»Beten Sie zur heiligen Jungfrau, daß es klappt. Sonst ist es mit uns beiden aus.« Emilio richtete sich auf und hängte sich das Gewehr über die Schulter. »Eine Bitte habe ich«, fügte er hinzu. »Dieser guarda ist kein schlechter Mensch, und seine Familie lebt in El Suazal, wo es überhaupt keine Arbeit gibt. Fesseln Sie ihm die Hände und die Füße und stecken Sie ihm einen Knebel in den Mund. Ich kann ihn nicht töten.«
»Weißt du, wer der andere
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