Der im Dunkeln wacht - Roman
Er hieß Ernst Malmborg und war ein berühmter Pianist. Er war ein Jahr zuvor zu Hause an Krebs gestorben. Frej fuhr nach Hause und holte Kleider und die Medikamente, die noch von Sophies Vater zurückgeblieben waren, und zwar eine beachtliche Menge. Als Frej einige Wochen später Angelica erzählen wollte, wo sich seine Schwester versteckte, war sie tot. Sie hatte eine Überdosis eines Opiumpräparats geschluckt,
das zu Atemstillstand führen kann. Später kam heraus, dass sie noch am Leben war, als Frej sie in dem Schuppen im Industriegebiet in Högsbo verbrennen wollte. Deswegen glaubten wir auch, sie sei ermordet worden. Allerdings wäre sie mit Sicherheit ohnehin an der Überdosis gestorben, ihre Atmung war schon so schwach, dass Frej unmöglich erkennen konnte, dass sie noch am Leben war. Aus Angst, man werde ihn des Mordes an seiner Schwester verdächtigen, hatte er sie verbrennen wollen. «
»Es war also gar kein Mord«, stellte Sara fest.
»Nein. Nur zwei junge Menschen, die sich gegenseitig zugrunde richteten. Sophie hatte offenbar Haschisch geraucht, in ihrem Gehirn wurden Spuren von THC nachgewiesen, also von Tetrahydrocannabinol. Der Gerichtsmediziner nahm an, dass sie an einer akuten Psychose litt. Nicht unwahrscheinlich, dass diese erst durch den Haschischkonsum ausgelöst wurde.«
»Warum hat Frej da mitgespielt?«, wollte Sara wissen.
»Frej war gefühlsmäßig sehr an seine Schwester gebunden. Sein Psychiater schrieb das irgendeinem Schuldkomplex zu, der…«
Irene hielt inne, denn sie sah plötzlich ein kleines, herzförmiges Gesicht mit unergründlichen Augen, die sich in ihren eigenen versenkten, vor sich. Sie war nur elf Jahre alt gewesen, etwas wunderlich und von den anderen ausgegrenzt. Die arme kleine Sophie. Wenn ich es nur damals schon begriffen hätte, dachte Irene.
»Man verdächtigte Sophie der Brandstiftung, derer sich ihr kleiner Bruder schuldig gemacht hatte«, sagte Irene.
»Hat Frej das Feuer in der Häuslerkate gelegt?«, fragte Sara erstaunt.
»Ja. Angelica hat schließlich alles erzählt. Ingrid Hagberg sollte nach der Schule auf Frej aufpassen, bis Angelica nach Hause kam. Magnus Eriksson hatte sich von Ingrid Geld geliehen, um
in die Stadt zu fahren und ein paar ordentliche Kleider zu kaufen. Er hatte am Nachmittag ein Vorstellungsgespräch bei der Göteborgs Tidning. Wir haben diese Angabe natürlich überprüft, und dort hat man nur gelacht. Sie hatten Magnus Eriksson nie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Er kaufte für das Geld, das er seiner Schwester abgeschwatzt hatte, Schnaps. Dann fuhr er direkt wieder nach Hause. Er betrank sich bis zur Besinnungslosigkeit und schlief auf seinem Bett im Obergeschoss ein. Er schlief also, als Sophie in ein dunkles Haus heimkehrte. Sie wusste nicht, dass er zu Hause war, und fuhr dann rasch mit dem Fahrrad wieder weg, da sie fast schon zu spät dran war für das Ballett.«
»Ist sie mit dem Fahrrad zum Ballett gefahren?«, wollte Sara wissen.
»Nein. Sie konnte bei ihrer Freundin im Auto mitfahren. Aber sie musste bis zu dem Laden radeln, da die Mutter der Freundin den schmalen unbefestigten Weg nicht entlangfahren wollte.«
»Super«, meinte Sara trocken.
»Stimmt. Eine weitere Person, die an diesem Nachmittag einschlief, war Ingrid Hagberg. Nachdem sie und Frej eine Kleinigkeit gegessen hatten, legte sie sich hin. Frej ging währenddessen nach Hause. Auch er wusste nicht, dass sein Vater im Obergeschoss schlief. Frej fand eine Schnapsflasche seines Vaters und trank davon. Dann zündelte er im Haus und hatte das Feuer irgendwann nicht mehr unter Kontrolle. Ingrid wachte auf und bemerkte, dass der Junge weg war. Mit Hilfe ihres Hundes folgte sie Frejs Spur bis zu dem Haus. Als die Tante dort eintraf, irrte Frej draußen herum. Er war von dem Alkohol und vielleicht auch von dem Schock vollkommen benommen. Und das Haus brannte bereits lichterloh. Ingrid kam nie auf den Gedanken, dass sich ihr Bruder im Haus befinden könnte. Schließlich wähnte sie ihn in der Stadt beim Vorstellungsgespräch. Sie sah zu, dass sie den kleinen Frej nach Hause bekam, und rief dann
erst die Feuerwehr. Angelica merkte natürlich, was los war, als Ingrid ihr ihren Sohn übergab. Beide erzählten der Polizei nichts davon. Ausnahmsweise zogen die beiden Schwägerinnen an einem Strang.«
Irene hörte selbst, wie bitter ihre Stimme klang.
»Was wurde aus Sophie?«, wollte Sara wissen.
»Sie absolvierte eine Choreographenausbildung. Bevor sie
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