Der Jade-Pavillon
bei seiner Tochter Fengxia und seinem Schwiegersohn Wu Junghou zu Gast war, eine Flasche Weißwein trank und ihnen seinen Kummer mit Jian und dem Bauernmädchen erzählte. Fengxia, jetzt eine hochangesehene Funktionärin des Zentralkomitees von Yunnan, saß mit steifem Rücken auf ihrem geschnitzten Sessel aus Rosenholz. Sie trug einen olivgrünen Rock und darüber – in gleicher Farbe – eine streng geschnittene Jacke im Mao-Stil. Sie sah immer aus, als trüge sie eine Uniform, während ihr Mann Wu, der Leiter der Gesundheitsabteilung, einen der grauen Einheitsanzüge trug, der ihn unauffällig in der Menge untergehen ließ. Um so größer war seine Macht im Gesundheitswesen von Kunming. Seine Behörde bestimmte, welche medizinischen Fortschritte des Westens in Kunming übernommen wurden.
»Mein Bruder war immer ein Querkopf!« sagte Fengxia mit harter Stimme. »Aber jetzt ist er zu weit gegangen. Ein Bauernmädchen! Man sollte denken, das Studium verwirrt seinen Geist. Junghou, wen kennst du von der Partei in Dukou?«
Wu runzelte die Stirn und dachte nach, aber Tong winkte ab. »Ich halte es für falsch, die Partei einzuschalten«, sagte er. »Das ist ein Problem, das in der Familie bleiben muß. Wir können es allein lösen.«
»Du sagst, mit Jian kann man nicht darüber reden.«
»Ich habe es noch nicht versucht, denn er weiß ja nicht, daß wir sein Geheimnis kennen. Das ist für uns von Nutzen, denn wir können handeln, ohne auf seine Gegenwehr zu stoßen.«
»Handeln?« Fengxia sah ihren Vater forschend an. »Was hast du dir ausgedacht, Vater?«
»Ich werde dieses Bauernmädchen überzeugen, daß es ihr Unglück wäre, auf eine Zukunft mit Jian zu hoffen. Vor allem ihrem Vater werde ich beweisen, daß er seines Lebens nie wieder froh sein wird, wenn er seine Tochter nicht an die Kandare nimmt. Außerdem«, Tong lächelte etwas hämisch, »ein kleiner Bauer braucht immer Geld. Früher verkauften die Armen ihre schönen Töchter an die Reichen; ich werde ihm Geld geben, damit seine Tochter bei ihm bleibt.«
»Wie willst du das alles zuwege bringen?« fragte Wu. »Du kennst seinen Namen nicht und weißt noch nicht einmal, ob er wirklich in Huili wohnt oder in der Umgebung.«
»Deshalb bin ich heute zu euch gekommen, meine Kinder«, sagte Tong. »Ich brauche eure Hilfe.«
»Also doch die Partei!« entgegnete Fengxia. Ihr Leben war der Partei gewidmet, ihr Denken fußte auf den Lehren der Partei. Es gab für sie kein Problem, das die Partei nicht lösen konnte.
»Nein!« Tong beugte sich etwas vor, seine Stimme wurde eindringlich, fast beschwörend. »Ich brauche ein Auto, einen Fahrer und einen Zeugen. Ich habe an dich gedacht, Wu Junghou.«
»An mich?«
»Du hast einen Dienstwagen, den du selbst fährst, du kannst über deine Zeit verfügen und also mit mir nach Huili fahren, du bist ferner ein Zeuge, dessen Wort überall geachtet wird und keine Zweifel aufkommen läßt.« Tong holte tief Atem und sagte dann laut: »Ich brauche dich zur Rettung unserer Familie. Jian ist dabei, sie mit dem Bauernmädchen zu zerstören.«
»Wir werden fahren, Vater!« sagte Fengxia, ehe Wu etwas erwidern oder sogar Bedenken äußern konnte. »Wir werden alle fahren, du, Junghou und ich.«
»Du auch?«
»Ihr werdet mit dem Vater sprechen, ich mit der Bauernhure. Ich habe Jian etwas heimzuzahlen. Erinnerst du dich noch, wie er sich benommen hat, als Junghou zum ersten Mal in unser Haus kam? Ich habe das nie vergessen. Und wie nennt er mich? Den roten Lautsprecher.« Ihre harten Augen funkelten. Fengxia war von ungewöhnlicher Schönheit, aber wer in ihre Augen blickte, den überfiel die Angst vor der darin liegenden Kälte.
Wu hatte sich daran gewöhnt; er ließ Fengxia sprechen und handeln und war nur daran interessiert, seine Ruhe zu haben. Ein Glück für ihn war es, daß Fengxia dreimal in der Woche politische Schulungen abhielt; dann lag er zufrieden auf seinem Sofa, rauchte Zigaretten, trank eine Flasche Bier und hörte westliche Musik. »Wann fahren wir?« fragte er.
»Das muß ich dir überlassen. Du mußt dich für mindestens drei Tage frei machen.« Tong sah seine Tochter an. »Und du?«
»Ich bestimme meine Zeit selbst«, sagte sie stolz. »Ich brauche niemanden zu fragen.«
»Es wird nicht leicht sein.« Wu wiegte den Kopf hin und her. »Ich muß erst beantragen, daß ich den Dienstwagen auch privat gebrauchen darf. Was soll ich sagen, warum ich den Wagen privat brauche? Um ein Bauernmädchen zu
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