Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Rohrbach
Vom Netzwerk:
mit Aromastoffen. Es braucht unendlich lange zum Verrotten. Die herabfallenden Blätter decken Lage um Lage den Boden zu und ersticken alle anderen Pflanzen. Und staubtrocken ist es um ihn herum, weil der Eukalyptus viel Wasser verbraucht. Seine starken Wurzeln senken sich tief in den Erdboden. Sie pumpen das Wasser in die Baumkrone. Deshalb sinkt der Grundwasserspiegel, dort, wo Eukalyptus wächst. Die Landschaft trocknet aus.
    Eukalyptus, ehemals nur in Australien heimisch, wird in vielen Ländern Europas, Südamerikas und Afrikas angepflanzt, überall dort, wo die ursprünglichen Wälder abgeholzt wurden. Die Anpflanzung wird als gute Tat bezeichnet, als vorbildliche Maßnahme, um der Erosion des Bodens entgegenzuwirken. Unverfroren läßt man sich die Wiederaufforstung mit hohen Subventionssummen finanzieren. Es sind schamlose Lügen, denn durch den Eukalyptus wird der Boden erst recht zerstört. Wie ein Pumpwerk saugt er alle Feuchtigkeit aus dem Untergrund, und das Land wird trockener als je zuvor. Den Besitzern von Eukalyptusanpflanzungen ist das gleich. Für sie ist wichtig, daß dieser Baum rasant wächst und gutes Geld bringt beim Verkauf an Zellulosefabriken. Dort wird er zu Papier verarbeitet. So wird unter dem Deckmantel naturschützender Wiederaufforstung, die auch noch staatlich subventioniert wird, ein doppelt einträgliches Geschäft betrieben.
    Man kann einzelne Bäume pflanzen oder an Straßen als Alleebäume, aber als flächendeckende Anpflanzung sind sie schädlich für die Umwelt.
    Mich empört die Frechheit, mit der industriemäßige Nutzung einer Baumart als Naturschutz deklariert und bezahlt wird. Dabei wissen die EG-Subventoren Bescheid über die verheerenden Auswirkungen des Plantagenanbaus von Eukalyptus, aber es geht ihnen ja nicht darum, die Natur in Spanien zu erhalten, sondern an Spanien zu verdienen, indem sie den industriellen Aufbau unterstützen. Der Beitritt Spaniens zur EG ruiniert den Bauernstand, die kleinen und mittleren Höfe, wie ich bei meiner Wanderung durch die Dörfer feststellte, und vernichtet gleichzeitig auch noch die bisher weitgehend intakte Umwelt. Und das mit der Behauptung, die Natur zu schützen!
    Geld für Naturschutzprojekte auszugeben ist der Widersinn an sich, man braucht die Natur nur in Ruhe zu lassen, so wäre sie am besten geschützt. Ein mit Mühe geretteter Tümpel, eine verhinderte Staustufe, ein nicht gebautes Atomkraftwerk dienen nur als Alibi und verstellen den Blick vor der flächendeckenden Erdzerstörung, vor dem globalen Verbrechen der Menschen an der Erde.
    Noch immer duften meine Finger nach dem Blatt, das ich zwischen ihnen zerrieben habe. Schade, daß gerade der schöne Eukalyptus so negative Assoziationen weckt. Aber schädlich wird der Baum nur dort, wo er künstlich vom Menschen angepflanzt wird. In Australien wächst er in für seine Ansprüche geeigneten Gebieten, und in den Jahrtausenden der Entwicklung haben sich dort in den Eukalyptuswäldern Lebensgemeinschaften gebildet, Pflanzen und Tiere, die ohne den Baum nicht überleben könnten.
    In Melide erfreut mich die letzte romanische Kirche des Pilgerweges. Am Rande des Dorfes liegt die Kirche Santa María, inmitten eines Friedhofes, überragt von den hohen Säulen der Zypressen. Die kleine dunkle Friedhofskirche mit ihren verwitterten Säulenkapitellen trägt in sich den Geist des frühen Christentums, der sich mit dem keltischen Glauben verflochten hat.
    Die letzte Nacht vor dem Ziel! Der goldene Sonnenball ist bereits untergegangen, ich habe mein Nachtlager auf einem Hügel gefunden, zwischen Gräsern, schützend umgeben von Büschen wie ein grüner Burgwall. Der Abend ist klar, wolkenlos. Ein türkisfarbenes Leuchten am Horizont verliert sich im Samtblau des Himmelsgewölbes, an dem silbern die ersten Sterne blitzen. Mir fällt ein, daß die Sterne ja immer am Himmel sind und nur tagsüber vom grellen Sonnenlicht überstrahlt werden.
    Im Schein der Taschenlampe schreibe ich in mein Wanderheft: »Noch 49 Kilometer. Morgen bin ich in Santiago. Vielleicht wird es doch noch zu einem Ziel für mich?« Als ich die Taschenlampe ausknipse, leuchten viele Lichtpünktchen auf. Glühwürmchen! Wie lange habe ich schon keine mehr gesehen? Die kleinen großen Wunder der Kindheit! Ich lege mich auf den Rücken und schaue hinauf in den Himmel. Über mir leuchtet das breite Band der Milchstraße, es zieht von Ost nach West. Ich erinnere mich an die Legende, die von einem Traum Karls des Großen

Weitere Kostenlose Bücher