- Der Jünger des Teufels
fast gegenseitig umgebracht haben, wenn wir uns nicht einigen
konnten, wer zuerst duschen durfte. Josh ist in Ordnung. Der Job ist ihm sehr
wichtig, das war schon immer so. Er ist der ideale Mann, wenn du weißt, was ich
meine. Solide und zuverlässig, auch wenn er ab und zu seine wilden Phasen hat.«
»Wilde Phasen?«
»Hat er dir nichts von seinen Rock-and-Roll-Jahren erzählt?
Er ist ein großer Springsteen-Fan und spielt ziemlich gut E-Gitarre. Zu
Collegezeiten war er Frontmann einer Rockband. Sie hieß Joanie Salt und die Shakers.« Marcie lachte
und schenkte uns Kaffee nach. Sie war mir sympathisch.
»Josh hat mit mir über seine Ehe gesprochen«, sagte ich
leise. Ich konnte nur hoffen, dass Marcie nicht glaubte, ich würde in Joshs Privatleben
herumschnüffeln, obwohl ich genau das tat.
Marcies gute Laune verflog. »Die Scheidung hat ihn arg
mitgenommen. Männer nehmen es oft sehr schwer. Laut Statistik ist es für sie
viel schwerer als für Frauen, Scheidungen und Trennungen zu überwinden. Kannst
du dir das vorstellen?«
Das konnte ich in der Tat, da ich wusste, wie sehr David und
Paul unter den Trennungen gelitten hatten. »Wie hat er die Scheidung bewältigt?«
»Josh zog sich nach der Scheidung fast ein Jahr lang vollkommen
zurück und sprach nie über die Trennung. Als er schließlich wieder aus der
Versenkung auftauchte, war er geheilt. Wenn du mich fragst, passten Josh und
Carla nie richtig zusammen. Sie lernten sich ein paar Jahre nach dem College
auf einem Rockkonzert kennen.«
»Wie war sie denn so?« Kaum hatte ich die Frage gestellt, wurde
mir bewusst, dass ich mich durch meine Fragerei verraten hatte. Vermutlich
konnte Marcie sich an fünf Fingern ausrechnen, dass ich etwas für Josh empfand.
Doch sie ließ sich nichts anmerken.
»Carla war ein ungewöhnliches Mädchen, exotisch und
temperamentvoll. Ein Elternteil stammte aus Puerto Rico. Josh war ihrem Charme
verfallen, doch sie konnte ganz schön launisch und selbstsüchtig sein. Die
Rolle als Mutter und Ehefrau war nichts für sie. Und plötzlich begegnete sie
diesem hübschen reichen Typen, verliebte sich bis über beide Ohren in ihn, und
damit war die Ehe für sie beendet. Sie zog mit dem Burschen nach San Francisco
und hinterließ Josh bloß einen Abschiedsbrief. Von ihrem Sohn hat sie sich
nicht einmal verabschiedet. Das muss man sich mal vorstellen.«
»Für Neal war es sicher schwer?«
Marcie trank einen
Schluck Kaffee und stellte die Tasse auf den Tisch. »Er hat sie schrecklich
vermisst, obwohl sie wahrlich keine gute Mutter war. Lange Zeit war er verwirrt
und weinte nachts oft. Josh hat versucht, ihm die Mutter zu ersetzen, obwohl es
nicht immer leicht für ihn war.«
»Hat sie ihren Sohn wenigstens angerufen oder ihn besucht?«
»In den ersten Wochen rief sie ein paar Mal an, aber dann meldete
sie sich nicht mehr. Ich glaube, Carla war so sehr mit sich selbst beschäftigt,
dass sie niemanden vermisst hat.«
Marcie trank ihren
Kaffee aus. »Ich schaue noch mal nach Neal. Schenk dir Kaffee nach, wenn du
möchtest. Ich schicke meinen Bruder herunter. Ich wette, ihr beide möchtet
unter vier Augen miteinander sprechen.«
Ich blieb am Küchentisch sitzen. Als ich mir noch einen Schluck
Kaffee eingoss, kam Josh die Treppe herunter. »Wie geht es Neal?«, fragte ich
ihn.
»Besser. Er ist eingeschlafen. Der Tag hat ihn viel Kraft
gekostet.« Josh setzte sich mir gegenüber an den Tisch und fragte besorgt: »Und
wie geht es dir jetzt?«
»Ich weiß nicht. Ich dachte, es sei alles in Ordnung, doch
jetzt melden sich meine Bedenken.«
»Inwiefern?«
Es geht um den Plan, meine Unschuld zu beweisen, lag mir die Antwort auf der Zunge. Ich brauche unbedingt
deine Hilfe, aber ich habe Angst, dich zu bitten, weil du mich für verrückt
halten könntest.
»In jeder Beziehung«, sagte ich. »Ich habe nichts verbrochen,
Josh. Du musst mir glauben. Ich weiß nicht, was in den letzten Tagen vor sich
geht. Es macht mir Angst und verwirrt mich vollkommen.«
Josh ergriff meine Hand, und ich spürte seine Stärke. »Du musst
mir alles erzählen, Kate, damit ich die Chance habe, das ganze Ausmaß dieser
Katastrophe zu begreifen. Erzähl mir alles, von Anfang an.«
125.
Nachdem ich Josh alles anvertraut hatte, fühlte
ich mich von einer Last befreit. Doch dieses Gefühl der Erleichterung währte nicht
lange. Josh schüttelte den Kopf und seufzte besorgt. »Ich gebe zu, dass sich in
den letzten vier Tagen sehr seltsame Dinge zugetragen
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