- Der Jünger des Teufels
Hinrichtungskammer führten und auf den Metalltisch
schnallten.
Gemals Hände, Arme und Beine wurden mit Lederriemen festgebunden,
und der blaue Plastikvorhang wurde für ein paar Minuten geschlossen. Als er
wieder geöffnet wurde, waren dem zum Tode Verurteilten bereits die venösen
Zugänge in beiden Armen gelegt und die drei Infusionsschläuche angeschlossen worden.
Verzweifelt bäumte Gemal sich gegen die Fesseln auf. Als sein Blick durch den
Raum wanderte, traten ihm die Augen aus den Höhlen. Ich erinnerte mich an die
kalten Schauer, die mir über den Rücken gelaufen waren, als Gemal mich mit
seinem hasserfüllten Blick anstarrte.
» Viel Vergnügen bei der Show. Dafür werden Sie bezahlen.
Glauben Sie mir nicht? Warten Sie’s ab. Ich werde den Tod besiegen und zurückkommen,
und dann nehme ich Sie mit in die Hölle, Kate. Das verspreche ich Ihnen. «
Die Erinnerung durchzuckte mich wie ein elektrischer Schlag,
als diese Szene sich vor meinen Augen wiederholte. Der Giftcocktail entfaltete
rasch seine Wirkung. Gemals Augen flackerten, und sein Kopf sank zurück auf den
Tisch, als ihm das Natriumthiopental injiziert wurde, worauf der Todeskandidat
in tiefen Schlaf fiel.
Nachdem ihm das Pancuroniumbromid, ein Muskelrelaxans, das
seine Atemmuskulatur lähmte, gespritzt worden war, bekam er einen Hustenanfall.
Gemal schnappte nach Luft und bäumte sich auf. Dann bebten seine Lippen, und er
atmete ein letztes Mal und erstarrte, als die dritte Chemikalie, das
Kaliumchlorid, den Herzstillstand herbeiführte.
Völlige Stille trat ein, als einer der Gefängnisbeamten
hinter dem Vorhang verschwand, gleich darauf wieder auftauchte, den Raum
durchquerte und Gefängnisdirektor Clay etwas zuflüsterte. Dieser schaute auf
seine Armbanduhr, hob den Hörer des roten Telefons ab und informierte den
Direktor der Strafvollzugsbehörde umgehend über den genauen Todeszeitpunkt des Delinquenten:
»Herr Direktor, der Tod des Häftlings Constantine Gemal ist um einundzwanzig
Uhr neunzehn eingetreten.«
Clay faltete den Zettel zusammen und verließ den Raum,
worauf ein Wärter den Vorhang schloss. Gebannt starrte ich auf Gemals
Brustkorb, doch er bewegte sich nicht. Nicht das leichteste Zucken oder das
winzigste Lebenszeichen waren zu erkennen. Gemal schien tatsächlich tot zu
sein. Aber stimmte das? Oder hatte er alle hinters Licht geführt?
»Was ist?«, fragte Lacy, die neben mir saß.
»Nichts. Alles in Ordnung«, erwiderte ich, obwohl ich am ganzen
Körper zitterte.
Lacy beugte sich vor und schaltete den Videorecorder aus.
»Das war’s.«
»Gibt es keine weiteren Aufzeichnungen?«
»Wie bitte?«
»Ich meine, nach der Hinrichtung.«
»Ich glaube, es gibt noch Aufnahmen, wie der Leichnam weggetragen
wird«, antwortete Lacy.
»Auf diesem Videoband?«
Lacy zuckte mit den Schultern. »Ich nehme es an, weiß es aber
nicht genau.«
»Ich würde mir das Band gerne bis zu Ende ansehen.«
Lacy runzelte die Stirn. »Sie wissen, dass Sie mir noch
immer nicht gesagt haben, weshalb Sie sich dieses Band anschauen wollen. Warum
sagen Sie es mir nicht, Miss Moran?«
»Ich sage es Ihnen später. Versprochen. Könnte ich das Band
noch mal von Anfang an sehen?«
»Wonach suchen Sie genau?«, fragte Lacy.
»Wenn ich finde, was ich suche, werden Sie es als Erste
erfahren.« Ich wusste, dass wir etwas übersehen haben mussten. Ich war
überzeugt, dass Gemal uns alle ausgetrickst hatte. Aber wie?
Lacy spulte das Band zurück.
149.
Gretchen
Woods, Virginia
»Ihr habt ihn verloren? Wie konnte das
passieren? Sind die Kerle blind, die die Beschattung übernommen haben?«,
brüllte Stone in sein Handy. Er war so wütend, dass er gegen einen Stuhl trat, der
durch die Küche von Josh Cooper flog und krachend auf dem Boden landete.
Es war nach zweiundzwanzig Uhr, und die Befragung von Coopers
Schwester Marcie hatte sie nicht weitergebracht. Die Frau behauptete, nichts
zu wissen. Mit trotziger Miene hatte sie am Küchentisch gesessen und sich von
der Drohung einer Festnahme nicht beeindrucken lassen.
Inzwischen war Marcie Cooper nach oben gegangen, um nach ihrem
Neffen zu sehen. Gus Norton hatte sie begleitet, um sie im Auge zu behalten.
Eine Minute, nachdem die beiden in den ersten Stock hinaufgestiegen waren,
meldete sich Stones Handy.
»Frank Moran ist verschwunden, Vance«, fuhr der Agent am Telefon
nun eingeschüchtert fort. »Wir beschatten noch immer das Haus seiner Schwester,
aber dort ist sie nicht aufgetaucht.«
»Wo ist
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