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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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gestern böse geworden, du Schafskopf; du warst betrunken, aber ich habe dir etwas Wichtiges mitzuteilen; ich habe heute wunderschöne Nachrichten über die Angelegenheit erhalten, von der wir gestern sprachen...«
    »Lambert«, unterbrach ich ihn; ich konnte vor Erregung kaum Luft bekommen, sprach hastig und geriet unwillkürlich in einen rednerischen Ton hinein, »wenn ich mit dir stehengeblieben bin, so habe ich das einzig und allein getan, um für immer mit dir Schluß zu machen. Ich habe dir das schon gestern gesagt, aber du verstehst immer nicht. Lambert, du bist wie ein kleines Kind und dumm wie ein Franzose. Du denkst immer, du wärest noch derselbe wie bei Touchard, und ich wäre noch ebenso dumm wie bei Touchard... Aber ich bin nicht mehr so dumm wie bei Touchard... Ich war gestern betrunken, aber nicht vom Wein,sondern weil ich ohnehin schon erregt war; wenn ich aber dem Unsinn, den du redetest, zustimmte, so habe ich das nur aus List getan, um deine Gedanken auszukundschaften. Ich betrog dich, aber du freutest dich und warst vertrauensselig und schwatzhaft. Nun will ich dir sagen: sie zu heiraten, das ist ein solcher Unsinn, daß es nicht einmal ein Gymnasiast aus der Vorbereitungsklasse für möglich halten kann. Wie kann jemand denken, daß ich es für möglich hielte? Aber du hast es für möglich gehalten! Du hast es deswegen für möglich gehalten, weil du zu den höheren Kreisen keinen Zutritt hast und nicht weißt, wie es dort in den höheren Kreisen zugeht. Dort in den höheren Kreisen geht es nicht so einfach zu, und es ist unmöglich, daß sie so einfach und ohne weiteres jemanden zum Mann nähme... Jetzt will ich dir klar und deutlich sagen, was du möchtest: du möchtest mich mitnehmen, um mich betrunken zu machen, damit ich dir dann das Schriftstück ausliefere und mit dir zusammen irgendeine Schurkerei gegen Katerina Nikolajewna verübe! Aber da irrst du dich! Ich werde niemals zu dir kommen, und du sollst auch noch dies wissen: schon morgen oder jedenfalls übermorgen wird sich dieses Papier in ihren eigenen Händen befinden, denn dieses Schriftstück gehört ihr, weil sie es geschrieben hat, und ich selbst werde es ihr persönlich übergeben, und wenn du wissen willst wo, so wisse, daß ich es ihr durch Vermittlung Tatjana Pawlownas, die mit ihr bekannt ist, übergeben werde, in Tatjana Pawlownas Wohnung und in Tatjana Pawlownas Gegenwart; und ich werde für das Schriftstück von ihr nichts verlangen. Aber jetzt marsch, scher dich weg, für immer, sonst... sonst, Lambert, werde ich weniger höflich mit dir verfahren...«
    Als ich zu Ende war, fühlte ich am ganzen Leib ein leises Zittern. Ein sehr wichtiges Moment und eine sehr üble, bei jedem Geschäft schädliche Angewohnheit im Leben ist es, wenn man pathetisch wird. Mußte mich der Teufel reiten, ihm gegenüber mich zu erhitzen und am Ende meiner Tirade, indem ich mit Genuß die Worte betonte und die Stimme immer mehr erhob, diese völlig entbehrliche Einzelheit vorzubringen, daß ich das Schriftstück durch Tatjana Pawlownas Vermittlung und in deren Wohnung ausliefernwürde! Aber ich bekam damals auf einmal die größte Lust, ihn in Bestürzung zu versetzen! Als ich so geradezu mit der Erwähnung des Schriftstücks herausplatzte und sein dummes Erschrecken sah, reizte es mich plötzlich, ihn durch genaue Details noch mehr niederzuschmettern. Und gerade diese weibische, prahlerische Geschwätzigkeit wurde dann die Ursache des schrecklichen Unglücks, denn diese Einzelheit von Tatjana Pawlowna und ihrer Wohnung blieb sofort in seinem Kopf haften, wie das bei einem gaunerischen, in kleinen, praktischen Dingen gewandten Menschen erklärlich ist; in höheren, wichtigen Dingen ist er unfähig und begreift nichts, aber für solche Kleinigkeiten besitzt er doch einen guten Spürsinn. Hätte ich von Tatjana Pawlowna geschwiegen, so hätte größeres Unglück nicht geschehen können. Indessen war er, nachdem er meine Worte gehört hatte, im ersten Augenblick vollständig fassungslos.
    »Hör mal«, murmelte er, »Alfonsina... Alfonsina wird uns etwas vorsingen ... Alfonsina ist bei ihr gewesen; hör mal; ich habe einen Brief, beinahe so etwas wie einen Brief, worin Frau Achmakowa von dir spricht. Mir hat ihn der Pockennarbige verschafft; du erinnerst dich doch an den Pockennarbigen – du wirst selbst sehen, du wirst selbst sehen, komm nur mit!«
    »Du lügst, zeig den Brief her!«
    »Er ist bei mir zu Hause, Alfonsina hat ihn, komm

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