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Der Junge aus dem Meer - Roman

Der Junge aus dem Meer - Roman

Titel: Der Junge aus dem Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Neben dem Eisstand auf der Promenade hatte ich eine Toilette gesehen.
    »Miranda!«, rief Delilah und schlug eine Hand gegen ihren Busen. Mom schüttelte den Kopf. Felice wirkte ebenfalls entrüstet – oder versuchte es zumindest.
    »Das ist kein angemessener Ausdruck für eine junge Dame«, sagte Mom zu mir und runzelte die Stirn. »Du kannst dich entschuldigen, aber spar dir bitte die Details.«
    Ich hörte das leise Gekicher von CeeCee, Virginia und Jacqueline und ließ den Kopf hängen. Ich fühlte mich wie eine Fünfjährige, die sich in die Ecke stellen musste, weil sie in der Klasse zu viel plapperte. Ich hatte nicht gewusst, dass Mom mich auf diese Weise zurechtweisen konnte. Doch andererseits hatte ich ebenso wenig gewusst, dass sie früher was mit Theodore Illingworth senior gehabt hatte.
    »Entschuldigt mich bitte«, murmelte ich, bevor ich mich abwandte und im Laufschritt davoneilte. Als ich lossauste, hörte ich noch, wie Virginia fragte: »Und wieso sonnt sie sich in ihren Sneakers?«
    In der Toilette spritzte ich mir Wasser ins Gesicht und versuchte, mich zu beruhigen. Doch als ich herauskam, fühlte ich mich nicht in der Lage, wieder zu Mom und den anderen zurückzukehren.
    Der Wind zerrte an meinen Haaren, als ich die Strandpromenade entlanglief und wie magnetisch vom Research Center angezogen wurde. Ich wusste, dass es sonntags geschlossen war, blieb jedoch voller Hoffnung draußen vor den Fliegengittertüren stehen. Mein Blick wanderte über die Flyer am Fenster, und als ich einen davon durchlas, pochte mir das Herz in der Brust.
     
    Verpassen Sie nicht unsere Strandspaziergänge! Immer mittwochs Erkundung der Meeresbewohner! Tickets können um 18 Uhr im Zentrum bei Leo gekauft werden.
     
    Mittwochs? Leo hatte mich am Freitag auf dem Strandspaziergang begleitet. Ich erinnerte mich, dass Leo meine Bezahlung nicht annehmen wollte und mich ein leiser Verdacht beschlichen hatte. Jetzt war mir alles klar. Es
gab
freitags keine Strandspaziergänge. Leo hatte geflunkert, damit wir uns allein treffen konnten.
    Ich holte tief Luft, fühlte mich sofort geschmeichelt, war aber auch verängstigt. Kein Junge war für mich jemals so weit gegangen. Doch andererseits fragte ich mich, ob ich angesichts meines Vertrauens in Leo vielleicht einem Fehlurteil unterlegen war –
konnte
ich einem Jungen vertrauen, der mit solcher Ungezwungenheit log? Hätte T. J. etwas Ähnliches getan? Ich bezweifelte es.
    Verwirrter als vorher kehrte ich zu meinem Handtuch zurück.
    Glücklicherweise unterhielten sich die drei Mütter mittlerweile darüber, wo der frischeste Hummer der Stadt zu bekommen war, und Virginia und Jacqueline planschten im Meer, während CeeCee auf dem Bauch lag und eine SMS an Bobby schrieb.
    Ich trug ein bisschen mehr von meiner Sonnencreme auf, streckte mich aus und stopfte mir die Ohrstöpsel meines iPods wieder in die Ohren. Diesmal jedoch drehte ich die Musik auf und ließ sie – in der Hoffnung, so vielleicht einen klaren Kopf zu bekommen – gegen mein Trommelfell dröhnen. Wie Pingpongbälle hüpften T. J. und Leo in meinen Gedanken umher und stritten sich mit Mom und Mr. Illingworth um die besten Plätze. Selbst Greg, den ich schonin die Tiefen meines Unterbewusstseins verbannt geglaubt hatte, tauchte wieder auf.
    Waren CeeCee und ihre Freundinnen – ganz zu schweigen von Mom und
ihren
Freundinnen – gerade dabei, mich irgendwie zu infizieren? Oder lag es an Selkie Island? Vielleicht verwandelte mich die Tatsache, so weit von zu Hause fort zu sein, in ein Mädchen, das an nichts anderes mehr denken konnte als an Jungs, Dates und alte Geschichten.
    ***
    Als der Wind auffrischte und die Flut den Strand hochzukriechen begann, waren sich alle Moms einig, dass es Zeit zum Aufbrechen war. Während Virginia und CeeCee über ihre ungleichmäßige Sonnenbräune lamentierten, warf ich einen letzten Blick auf den Strand. Ich begann mich zu fragen, ob Leos Bemerkung, dass ich ihn jederzeit finden könnte, auch nur ein Lügenmärchen gewesen war.
    Außerdem, dachte ich, als ich mein Handtuch ausschüttelte, was hätte ich tatsächlich getan, wenn ich Leo am Strand entdeckt hätte? Ihn vor allen Leuten geküsst?
    Meine Gliedmaßen kribbelten bei diesem Gedanken.
    Als wir über die Strandpromenade in Richtung Innenstadt liefen, blieben Mom und ich etwas hinter den anderen zurück. Unser gemeinsamer Strandbeutel baumelte von meiner Schulter. Ich wusste zwar, wieso ich etwas trödelte, doch war es merkwürdig,

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