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Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer

Titel: Der Junge aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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„Das letzte und gleichzeitig das erste, an das du dich erinnern kannst, ist also das Gesicht eines Jungen, der sich über dich beugt und mit deinen Armen Freiübungen macht? Dieses Gesicht?“ Der Arzt zeigte dabei zu Paul Nachtigall hinüber.
    „Mein Lebensretter“, sagte der schwarzhaarige Junge heute schon zum zweitenmal . Diesmal lächelte er dabei.
    „Vermutlich hat er dir wirklich das Leben gerettet“, meinte Professor Stoll, aber man merkte ihm an, daß er bereits wieder an etwas ganz anderes dachte. Trotzdem fügte er noch hinzu: „Das ist sogar ganz sicher.“ Gleichzeitig blieb er vor dem Jungen, den das Meer so einfach am Ufer hatte liegen lassen, stehen. Er beugte sich zu ihm hinunter, legte ihm seine Hände auf die Schultern und blickte ihm in die Augen. „Wo kommst du her?“ fragte er eindringlich. „Was ist in dieser vergangenen Nacht mit dir passiert, und wie heißt du überhaupt?“
    „Ich weiß nicht, wer ich bin“, sagte der schwarzhaarige Junge nach einer Weile. „Ich weiß es wirklich nicht.“
    „Und als du vorhin in den Spiegel geguckt hast?“ fragte jetzt Paul Nachtigall vorsichtig.
    „Seitdem weiß ich wenigstens, wie ich aussehe“, erwiderte der Junge in dem rot-blau karierten Hemd, dessen Ärmel ihm wirklich ein wenig zu lang waren.
    „Der arme Junge“, schluchzte Fräulein Emma Zobelmann vom Spültisch herüber.

Professor Stoll quatscht ohne Girlanden

    „Nimm dich zusammen, Emma“, sagte Großmutter Kubatz ein wenig ärgerlich. „Tränen sind ein ganz egoistischer Firlefanz. Man beruhigt sich selbst damit. Aber dem anderen helfen sie nicht die Bohne.“
    Fräulein Zobelmann gluckste noch zweimal. Dann wischte sie sich mit ihrem Taschentuch die Augen aus und war wieder ruhig.
    „Na also“, sagte die Großmutter zufrieden. Anschließend schlug sie vor, daß man dem Jungen jetzt zuerst einmal einen Namen geben sollte.
    „Es ist doch ein unmöglicher Zustand, daß hier im Haus jede Schildkröte und jeder Wellensittich weiß, wie er heißt, und dieser Junge weiß es nicht. Bist du damit einverstanden?“ Der Junge mit den pechschwarzen Haaren lächelte ein wenig und nickte. „Hast du selbst einen Vorschlag?“ wollte Großmutter Kubatz jetzt wissen.
    Der Junge überlegte eine Weile, dann blickte er zum Boß der Glorreichen hinüber. „Eigentlich müßte er mir den neuen Namen geben“, meinte er. „Immerhin hab’ ich es ihm zu verdanken...“
    „Ja, schon gut“, unterbrach Paul Nachtigall schnell und hatte dabei schon wieder knallrote Ohren bekommen. „Im übrigen schlage ich Alexander vor, weil...“ Er lehnte sich zurück und griente. „Ich mag meinen eigenen Vornamen nämlich nicht besonders, und wenn ich mir heute einen anderen aussuchen könnte, würde ich am liebsten Alexander heißen.“
    „Einverstanden?“ fragte Großmutter Kubatz noch mal.
    „Einverstanden“, nickte der Junge wieder.
    „Einstweilen werden wir dich also Alexander nennen“, erklärte Großmutter Kubatz. „Allerdings nur so lange, bis du deinen richtigen Namen wiedergefunden hast. Und ich hoffe, das dauert nicht allzu lange.“ Sie schlug die Beine übereinander und strich ihren Rock glatt. „Wie geht es jetzt weiter?“
    Zuerst nahm Professor Stoll seinen Strohhut, kletterte gemeinsam mit dem Jungen, der seit neuestem Alexander hieß, in das knallrote Kabrio des Chefredakteurs der Bad Rittershuder Nachrichten und ließ sich in seine Praxis kutschieren. Dort untersuchte er den jungen Patienten noch einmal gründlich von den Haarspitzen bis zu den Fußsohlen. Schließlich nahm er auch noch mit einer Spritze Blut aus einer Ader am Unterarm, das er später in seinem Laboratorium analysieren wollte.
    „Ich kann nichts finden“, erklärte Professor Stoll, als er dem Jungen zum Abschluß den Rücken einrieb. „Bis auf die paar Schrammen hier an den Schulterblättern ist er vollkommen gesund. Gesünder geht’s überhaupt nicht.“ Er gab dem Jungen jetzt die Flasche mit dem Öl, das er benutzt hatte. „Den Rest kannst du dir selbst einfetten“, meinte er, und dabei wandte er sich Herrn Kubatz zu: „Seine Haut ist noch empfindlich und trocken. Aber wer weiß, wie lange er im Meerwasser herumgelegen ist.“ Jetzt zündete sich der Arzt eine Zigarette an. „Aber auch sein Blut wird in Ordnung sein, da bin ich eigentlich schon so gut wie sicher.“
    „Gehirnerschütterung?“ fragte Herr Kubatz.
    „Dann hätte er zumindest Kopfschmerzen“, erwiderte Professor Stoll. „Und die

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