Der Junge aus dem Meer
verwirrt. „Darf ich mit den anderen darüber reden?“
„Ich denke, die Glorreichen Sieben haben keine Geheimnisse untereinander“, bemerkte jetzt Herr Kubatz.
„Es war ja auch nur eine Frage“, murmelte Paul Nachtigall und lief zum Strand zurück. Dabei überlegte er, daß man es doch leichter hatte, solange man noch jung war. Nur Erwachsene, die vielleicht eine Menge schlechter Erfahrungen gemacht hatten, konnten auf die völlig blödsinnige Idee kommen, daß mit diesem Jungen, der augenblicklich Alexander hieß, irgend etwas nicht stimmen sollte. Wir beweisen euch das Gegenteil, schwor sich Paul Nachtigall, und das war so gut, als hätten die gesamten Glorreichen Sieben schon mitgeschworen.
Professor Stoll und der Chefredakteur der Bad Rittershuder Nachrichten hatten inzwischen das Blockhaus erreicht. Frau Kubatz schaukelte draußen in einer Hängematte hin und her.
„Lassen Sie uns doch einfach rüberfahren“, schlug Herr Kubatz vor.
„Besser, er kommt hierher“, meinte Professor Stoll. „Sie erlauben?“ Dabei legte er seinen Strohhut auf den Schreibtisch und nahm den Telefonhörer ab.
„Wir können wirklich nicht wenigstens noch einen Tag damit warten?“ wagte Herr Kubatz einzuwenden.
„Wir haben leider schon zu lange gewartet“, erwiderte Professor Stoll und wählte bereits eine Nummer. „Meinen Sie, mir macht das Spaß?“
„Sicher haben Sie recht“, gab Herr Kubatz zu, und gleich darauf meldete sich das Polizeirevier von Rantum: „Wachtmeister Küselwind am Apparat. Wer spricht dort?“
Die Glorreichen Sieben werden beschattet, und Herr Kubatz stellt fest, daß er ein Kamel ist
Polizeiwachtmeister Küselwind kam auf dem Fahrrad und steuerte direkt auf das Haus Seestern zu, nachdem er durch das weiße Holztor in den Hof gefahren war.
Aber da trat Professor Stoll aus der Blockhütte und rief: „Guten Tag, mein Lieber, wir sind hier!“
Der Polizeiwachtmeister drehte eine elegante Kurve und sprang ab. Er war nicht älter als fünfundzwanzig, und als er jetzt seine Uniformmütze vom Kopf nahm, zeigte es sich, daß er rote Haare hatte. „Guten Tag, die Herren“, grüßte er.
„Das ist Herr Kubatz aus Bad Rittershude“, stellte der Professor vor und ging schon voraus durch die Tür, wobei er wieder einmal den Kopf einziehen mußte.
„Darf es zuerst einmal ein Korn sein?“ fragte der Chefredakteur, als alle drei die Blockhütte betreten hatten.
„Nichts dagegen einzuwenden“, meinte Herr Küselwind und lächelte dabei.
„Bei uns zu Hause hätte ein Beamter jetzt bestimmt abgelehnt und darauf hingewiesen, daß er leider im Dienst sei“, lachte Herr Kubatz. Dabei ging er schon zum Schrank, um Flasche und Gläser zu holen.
„Hier auf der Insel ist alles ein bißchen anders“, erwiderte der junge Polizeiwachtmeister vergnügt. Er hatte lustige Augen, und seine roten Haare wuchsen wie Gras aus seinem Kopf.
„Wo ist also der Löwe los, wenn ich fragen darf, was passiert ist?“
„Zuerst einmal Prost“, meinte Professor Stoll.
„Prost“, antworteten die Herren Kubatz und Küselwind. Daraufhin kippten sich alle drei ein Glas Korn hinter ihre Krawatten, und hinterher sagte Professor Stoll: „Kommen wir zur Sache.“
Zuerst berichtete Herr Kubatz, weil er ja die Geschichte beinahe von Anfang an persönlich miterlebt hatte. Dann erzählte Professor Stoll sozusagen die Fortsetzung bis zum augenblicklichen Stand der Dinge. „Und jetzt liegt er mit den übrigen Jungen drüben in den Dünen“, stellte er zum Abschluß fest.
„Sie haben sich leider mehr als einen ganzen Tag Zeit gelassen“, bemerkte Herr Küselwind ein wenig vorwurfsvoll.
„Ich dachte in der ersten Aufregung ganz einfach nicht an die Polizei“, gab Herr Kubatz zu. „Entschuldigen Sie.“
„Außerdem war der junge Patient bis heute morgen überhaupt nicht vernehmungsfähig“, fügte Professor Stoll hinzu.
„Jedenfalls ist das eine der unwahrscheinlichsten Geschichten, die ich je gehört habe“, meinte der junge Polizeimeister. „Er kann sich an nichts erinnern, sagen Sie?“
„Ein Fall von Gedächtnisverlust oder so was Ähnliches“, antwortete der weißhaarige Professor.
„Das ist ein Hut, der für mich um fünf Nummern zu groß ist“, stellte Herr Küselwind fest. „Wenn ich da nicht sofort die Kriminalpolizei einschalte, machen die mich unter Garantie zur Schnecke.“ Er stand auf. „Darf ich bitte mit Westerland telefonieren?“
„Selbstverständlich“, erwiderte Herr Kubatz
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