Der Junge aus dem Meer
sich um: „Hallo, Herr Direktor“, sagte er jetzt. Aber Herr Morgano hatte nur ein Lächeln für ihn übrig. Er fragte das Ehepaar Kubatz und die übrigen Gäste, wie es ihnen bisher gefallen hätte.
„Ganz ausgezeichnet“, versicherte Herr Kubatz, und Professor Stoll fügte höflich hinzu: „Wirklich, ganz erstaunliche Leistungen.“
„Dann mache ich mir um den zweiten Teil keine Sorge“, meinte Herr Morgano. „Er übertrifft den ersten bei weitem. Aber nicht nur, weil ich jetzt auch selbst auftreten werde.“ Er lächelte und drängelte sich dann weiter durch die Besucher, die jetzt im Foyer herumstanden, heiße Würstchen futterten und aus Papierbechern Bier oder Coca-Cola tranken.
Der Molkereifahrer hatte den Direktor inzwischen nicht aus den Augen gelassen und war ihm gefolgt, bis er ihn jetzt dicht an einem Seiteneingang erreicht hatte.
Aber das bemerkten die Glorreichen Sieben nicht mehr. Lediglich Fritz Treutlein blickte sich verwundert um und stellte fest: „Da stand doch gerade noch dieser Mann aus Hörnum?“
Sie hatten ihn schnell vergessen.
Aber sie sollten früher an ihn erinnert werden, als es ihnen lieb war.
Als nämlich nach der Pause das Licht im Zuschauerraum wieder ausgegangen war und aus den Lautsprechern ein dreifacher Tusch den zweiten Teil der Vorstellung angekündigt hatte, kam Direktor Morgano auf die Bühne und rieb sich vergnügt die Hände. Dabei sagte er: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden aus dem Fernsehen oder aus der Zeitung über den Jungen Bescheid wissen, der auf dieser Insel an den Strand geworfen wurde und seitdem sein Gedächtnis verloren hat...“
Das Publikum wurde unruhig und tuschelte leise.
„Dieser bedauerliche Knabe selbst ist natürlich nicht unter uns“, fuhr Morgano fort. Jetzt ahnten die Glorreichen Sieben natürlich schon, was auf sie zukam, und sie rutschten so tief als möglich in ihre Stühle. „Aber die Jungen, die ihn am Strand gefunden und ihm das Leben gerettet haben, sind heute abend als meine Gäste anwesend!“ Der Direktor in seinem nachtblauen Frack zeigte zur dritten Sitzreihe, und ein Scheinwerfer richtete sich gleichzeitig genau auf die Besucher aus dem Haus Seestern. Das Publikum klatschte in die Hände, und manche Sommergäste riefen: „Bravo!“
Da blieb den Glorreichen Sieben gar nichts anderes übrig, als aufzustehen und sich zu zeigen. Sie hatten rote Köpfe und versuchten zu lächeln.
Fünf Reihen hinter ihnen saß der Molkereifahrer aus Hörnum. Er applaudierte wie alle anderen, nur daß er dabei herzhaft lachte und mit dem linken Auge zwinkerte.
„Haben wir diesem Witzbold zu verdanken“, knurrte Paul Nachtigall durch die Zähne. Und dann setzte er sich zusammen mit den anderen wieder so schnell als möglich auf seinen Stuhl zurück.
„Es ist vorbei“, flüsterte Professor Stoll freundlich, weil Fräulein Emma Zobelmann, die neben ihm saß, immer noch in die Hände klatschte. Sie hörte sofort damit auf, aber im gleichen Augenblick zuckte der Professor zusammen, als hätte ihm jemand auf die Schulter geschlagen. Er hatte nämlich seinen Namen gehört. Und tatsächlich stellte Direktor Morgano seinem Publikum jetzt auch noch den Arzt vor, der den Findling wieder auf die Beine gebracht hatte. Jetzt mußte auch Professor Stoll aufstehen und sich kurz verbeugen. Die Glorreichen Sieben klatschten begeistert in die Hände und grinsten schadenfroh dabei.
„Hallo, Professor“, riefen einige Besucher. Sie gehörten vermutlich zu seinen Patienten oder kannten ihn von der Insel.
Aber dann begann glücklicherweise der zweite Teil des Programms.
Zuerst gab es wieder Musik aus den Lautsprechern, und dann legten die sechs Mädchen, die man ja schon kannte, eine italienische Tarantella auf die Bretter. Sie tanzten jetzt auch nicht besser als beim erstenmal , aber ihre Kostüme ließen nun mehr von ihren langen Beinen sehen.
Anschließend hatte Direktor Morgano seinen Auftritt. Er stellte sich als Zauberkünstler vor.
Er begann farbige Schleier mit einem eleganten Spazierstock durch die Luft zu wirbeln, bis sie plötzlich unsichtbar geworden waren. Daraufhin füllte er auf rätselhafte Weise leere Glaskaraffen mit Wasser und ließ dann ein weißes Kaninchen verschwinden. Schließlich legte er ausgerechnet das hübscheste der sechs Ballettmädchen in eine längliche Kiste und sägte sie in der Mitte auseinander. Hinterher kletterte das Mädchen allerdings wieder vergnügt und unbeschädigt ins Freie.
Als
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