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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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tritt noch schneller in die Pedale und das Einzige, woran sie denken kann, ist, dass sie aus der Stadt raus sein müssen, bevor es dunkel wird. Sie müssen runter ans Wasser, von dort aus können sie den Fluss und die Brücke sehen.
    Das ruhige Kopfschütteln des Schattens hat ihr Angst eingejagt. Es schien fast so, als hätte er gewusst, dass sie im Krankenhaus auftauchen würden und warum.
    Nanna fährt denselben Weg zurück, den sie gekommen sind, und achtet auf die Haltestellen. Sie müssen eine Straßenbahnlinie finden, die zum Fluss führt. Sie fahren wieder an dem Schuhgeschäft vorbei und fast hätte Nanna die Gestalt übersehen, die den Kopf auf die Hände gestützt an der Haltestelle sitzt.
    »Was machst du hier?«, fragt sie.
    »Da seid ihr«, sagt Vogel und reibt sich die Augen.
    Sein Gesicht ist tränennass.
    »Wir haben einen gesehen. Einen Schatten«, sagt Fride.
    »Ich habe gegen Nachmittag gehört, dass es im Untergrund Bewegungen gibt. Ich dachte mir, dass sie euch bemerkt haben und habe sofort angefangen zu suchen, aber ich konnte euch nicht finden.«
    »Woher wusstest du, dass wir hier vorbeikommen würden?«, fragt Nanna.
    »Ich habe euch heute Morgen hier gesehen. Ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, euch zu finden. Deshalb habe ich mich hierhin gesetzt.«
    »Die Schatten haben uns im Krankenhaus gesehen. Jedenfalls einer von ihnen«, sagt Nanna und schaut Vogel an.
    »Wie sah er aus?«, fragt Vogel.
    »Er war vollkommen schwarz angezogen und hatte eine Gasmaske auf.«
    »Sie sind wieder in Bewegung. In manchen Nächten tun sie das. Ich weiß nicht warum. Kommt jetzt, wir müssen zusehen, dass wir nach Hause kommen.«
    Vogel wirft seinen Rucksack in den Anhänger und steigt auf das Rad. Nanna legt sich zusammen mit Fride in den Wagen. Vogel fährt denselben Weg zurück, den sie gekommen sind. Er hält sich in der Mitte der Straße, dort, wo die Sonne noch scheint. Dann legt sich die Dämmerung mit blauem Licht über die Stadt. Und plötzlich sind dichte Bäume hoch über ihnen und der Weg liegt im Halbdunkel. Sie fahren an großen Villen vorbei, mit Teichen und Skulpturen in den Gärten. Der Weg wird schmaler und bald darauf können sie den Wasserfall hören.
    Jetzt vertraut Vogel uns, denkt Nanna. Er zeigt uns, wo er wohnt.
    Sie fahren über die Steinbrücke und biegen sofort danach in eine Öffnung im Gebüsch ab. Es ist ein schönes Gefühl, in das Dämmerlicht der dichten Zweige zu kommen. Nanna und Fride bleiben einen Moment im Anhänger sitzen, während Vogel in den Baum klettert.
    »Vogel ist nett, glaube ich«, sagt Fride.
    »Ja, vielleicht ist er das«, sagt Nanna und erschrickt, als die Strickleiter am Baum nach unten rauscht. »Wir bleiben hier, zumindest heute Nacht.«

25
    Vogel steht an der Tonne neben der Tür und trinkt, als Nanna auf die Plattform kommt. Sie zieht die Strickleiter hinter sich hoch.
    »Das war knapp. Ihr müsst vorsichtiger sein. Die Schatten verteidigen ihre Orte«, sagt Vogel. »Ihr wisst ja, was im U-Bahnschacht passiert ist. Sie sind sehr gefährlich.«
    »Ja«, sagt Nanna.
    »Wieso wart ihr im Krankenhaus? Wolltet ihr nicht in eure Wohnung?«
    Vogel setzt sich auf einen Ast, mit dem Rücken zum Mond.
    »Wir haben sie nicht gefunden. Ich dachte, ich würde mich wieder auskennen, wenn wir nur erst den Park gefunden hätten. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es ein Problem werden würde«, sagt Nanna. »Also sind wir zum Krankenhaus gefahren, um zu sehen, ob wir Mamas Büro finden.«
    »Das war nicht sehr schlau. Das Krankenhaus ist einer der Plätze, an denen sich die Schatten oft aufhalten. Man sollte sich von allen Orten fernhalten, wo es unterirdische Gänge gibt«, sagt Vogel ernst.
    »Hierher können sie nicht kommen?«
    »Nein. Sie bewegen sich selten überirdisch, meistens halten sie sich im Untergrund auf. Oder in der Nähe großer Gebäude.Sie benutzen Tunnel und Gänge unter der Erde. Und selbst wenn sie unterwegs sind, in letzter Zeit ist das immer häufiger, sind sie noch nie in den Wald gekommen.«
    »Hast du keine Angst?«
    »Nein«, sagt Vogel und fängt an, auf dem Ast zu balancieren.
    »Aber du warst so lange alleine. Du musst Angst gehabt haben.«
    »Ich weiß nicht, wie es ist, wenn man Angst hat. Wie fühlt sich das an?«
    Nanna denkt nach.
    »Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Aber es ist doch so, dass man furchtbar traurig wäre, wenn etwas passieren würde. Wenn ich zum Beispiel Fride oder unseren Papa verlieren

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