Der Junge, der Träume schenkte
hineinbinden?«
Arty Short nickte.
»Rot oder blau?«, fragte die Frau in einem monotonen Singsang.
»Rot.«
Die Frau zog einen Kamm aus der Tasche, trat hinter das Mädchen und kämmte ihm wenig zimperlich die Haare und flocht ihr dann zwei Zöpfe.
Arty musterte das Mädchen weiter. »Ich will, dass du unschuldig aussiehst, verstehst du?«
Das Mädchen nickte lächelnd. Sie verabscheute Zöpfe. In Corvallis trugen alle Mädchen Zöpfe. Und sie war sicher, dass sie mit dieser Frisur gleich wieder wie eine dieser Hinterwäldlerinnen aussah. Aber dies war das Vorsprechen ihres Lebens: eine Hauptrolle. Sie war bereit, noch viel mehr zu tun, nur um diesen Part zu bekommen.
»Wie, sagtest du, ist dein Name?«, fragte Arty sie.
»Bette Silk ...« Sie stockte und lachte. »Na ja, das ist mein Künstlername. Eigentlich heiße ich ...«
»Okay, Bette, hör mir gut zu«, fiel Arty ihr ins Wort. »Was ich von dir will, ist Folgendes ...« Er machte eine ungeduldige Geste. »Verdammt, wie lange dauert das denn, zwei Zöpfe zu flechten?«
Die Friseurin zog die zweite Schleife fest und verschwand hinter die Kulissen.
»Entschuldige, Bette«, sagte Arty mit sanfterer Stimme, »aber ich dulde kein Chaos am Set, wenn ich drehe. Bist du entspannt?«
»Ja.«
»Also dann. Du bist ein Mädchen auf der Flucht. Wenn ich ›Und bitte!‹ rufe, kommst du atemlos und verängstigt hier rein. Du machst die Tür zu und schiebst diesen Riegel vor.« Arty zeigte ihr einen dünnen Metallriegel auf halber Türhöhe.
»Die anderen beiden nicht?«, fragte das Mädchen und deutete auf zwei weitaus robustere Riegel oben und unten an der Tür. »Wenn ich doch auf der Flucht bin ...«
»Bette«, unterbrach Arty Short sie verärgert. »Bette, komm mir nicht mit eigenen Einfällen. Wenn ich dir sage, du sollst nur den einen vorschieben, schiebst du nur den einen vor.«
»Ja, verzeihen Sie, ich wollte nur ...«
»Wenn ich dir sage, du sollst dich aus dem Fenster stürzen, dann springst du, Bette. Ist das klar?«, sagte Arty harsch.
Bette errötete und blickte zu Boden. »Ja, verzeihen Sie bitte.«
»Gut. Also dann. Das war es schon, was du zu tun hast.« Artys Stimme klang wieder sanfter. »Du fliehst. Und suchst Schutz in dieser Waschküche.«
»Vor wem fliehe ich denn?«
Wortlos starrte Arty sie an. »Bist du so weit?«
»Ja ...«, antwortete Bette eingeschüchtert.
»Hervorragend.«
»Soll ich irgendetwas sagen?«
»Das kommt ganz spontan, du wirst sehen«, entgegnete Arty mit einem liebenswürdigen Lächeln. »Licht!«, brüllte er dann.
Die Scheinwerfer, die auf die Szene gerichtet waren, flammten auf. Bette fühlte sich in warme Helligkeit getaucht. In dem Augenblick wurde ihr bewusst, dass sie nun in einem Film mitspielen würde. Wahrhaftig. Als Hauptdarstellerin.
»Komm mit«, sagte Arty zu ihr, während er sie an der Schulter aus dem Set führte. Er zog den Riegel zurück und öffnete die Tür.
Bette warf einen Blick zurück auf die beleuchtete Szenerie, bevor sie hinaus in die Dunkelheit hinter den Kulissen trat. Und sie spürte ihr Herz schneller schlagen.
»Das ist dein Partner«, sagte Arty.
Bette wandte den Kopf und bemerkte einen jungen Mann Mitte zwanzig, der ihr geradewegs in die Augen sah und dabei keinerlei Gefühlsregung erkennen ließ. Ihr war, als bräche eine eisige Welle über ihr zusammen, schnell blickte sie wieder zurück auf das Szenenbild im gleißenden Scheinwerferlicht.
»Kamera ab!«, brüllte Arty.
Bettes Herz schlug noch schneller.
»Und bitte!«, brüllte Arty.
Nun wird mein Traum wahr, dachte Bette. Sie holte tief Luft und betrat hastig die Szene. Vor lauter Eifer fiel sie hin. Schnell stand sie wieder auf und lief zur Tür. Sie warf sie zu, schob den Riegel vor.
Da wandte sich Arty Short an Bill. »Sie gehört ganz dir.«
Bill stülpte sich eine schwarze Ledermaske mit Schlitzen für Augen, Mund und Nase über den Kopf.
»Leg los, Punisher«, sagte Arty.
Bill warf sich mit der Schulter gegen die Tür. Der Riegel gab nach. Die Tür sprang weit auf. Reglos stand Bill da und musterte Bette, ihre langen Zöpfe, ihre üppigen Kurven. Er sah sie mit gespielter Furcht im Gesicht zu einer Kulissenwand hin zurückweichen. Sie war eine miserable Schauspielerin. Er drehte sich um und schloss die Tür. Mit dem Fuß schob er den unteren robusten Riegel vor. Anschließend verriegelte er die Tür auch oben. Er wandte sich wieder seinem Opfer zu. Die Kameras surrten in seinen Ohren. Hinter seiner
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