Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

ich. »Er kann vielleicht einige Leute zu so etwas bringen, aber sein Leben ist sein Leben. Trotz allem.«
    »Ich habe überhaupt keine Probleme mit Wohngruppen oder damit, dass er lebt, wie er es tut«, sagte Johanna, die jetzt schneller sprach. »Das einzige Problem, das ich je mit seinem Leben hatte, waren seine Schmerzen. Ich konnte es nicht aushalten, es war unerträglich. Unerträglicher Schmerz, und kein Schlaf.«
    »Du weißt«, sagte ich da, »es bestand überhaupt keine Möglichkeit, wie wir das allein hätten schaffen können.«
    »Gefühlsmäßig empfinde ich nach wie vor, dass er, wenn ich irgendwie die richtige Art von Mutter wäre, immer noch zu Hause wäre.« Sie machte eine Pause, und dann kam der Knacks, auf den ich schon gewartet hatte. »Ich habe nicht mehr das Gefühl, seine Mami zu sein. Ich bin nicht mehr der Mensch, an den er sich wendet.« Sie weinte jetzt, ich wusste es, ohne hinsehen zu müssen. Ich konnte spüren, wie es sie überwältigte, als ob der Boden im Haus unter ihr wegbrach.
    »Er wendet sich anderen zu.« Das war das Beste, was ich sagen konnte.
    Ja, ja, nickte sie, das stimmte schon. »Solange jemand ihn jeden Tag liebt, ist es mir egal, wer es ist.« Sie schluchzte jetzt, ihr schnelles, effizientes Schluchzen.
    Er war eine Leere, ein Loch in unseren Leben, das immer da sein würde. Er war hier bei uns, und jetzt war er es nicht mehr. Macht es uns zu besseren Menschen, dass wir jeden Tag diese Wunde betrachteten? Nein. Hatten wir eine Wahl? Nein. Führte das dazu, dass wir immer an die Wunde dachten? Ja. Ändert das irgendetwas? Ich weiß es nicht.
    2 Beachten Sie, wie viele dieser Symptome auch Symptome des CFC -, des Costello- und des Noonan-Syndroms sind (um nur einige zu nennen), trotz der Tatsache, dass sie mit radikal anderen genetischen und chromosomalen Ursachen in Verbindung gebracht werden. Das Nachdenken über diese Ähnlichkeiten lenkte mich häufig ab. Dem üblichen Modell nach, das die Genetiker darlegen, führt jedes Gen zu einem anderen Effekt – daher können Genetiker ja verschiedene Krankheiten mit verschiedenen Genen in Verbindung bringen. Aber alle möglichen verschiedenen genetischen Syndrome haben eine Anzahl der Auswirkungen gemeinsam, Herzprobleme, geistige Behinderung und Gesichtsdeformationen sind bei vielen anzutreffen. Wie können von einander entfernte Schauplätze auf dem menschlichen Genom den gleichen Effekt produzieren? (Und ich bin mehr und mehr darüber erstaunt, wie ähnlich sich Kinder mit genetischen Defekten sind, besonders wenn eine geistige Behinderung zu den Symptomen gehört.) Offensichtlich ist das Modell, das die Genwissenschaft benutzt, um seine Entdeckungen zu verkünden – Gen A verursacht Syndrom B! – viel zu einfach, um zu erklären, wie kompliziert genetische Interaktionen tatsächlich sind. Meine Sorge war folgende: Führt ein allzu simples Modell davon, wie ein Mensch zu einem Menschen wird, dazu, dass wir ein allzu simples Modell davon entwickeln, was ein Mensch ist?
    3 Am 29. April 2009 verkündete Sequenom, dass es eine Verzögerung bei dem Verkauf ihres Down-Tests gäbe, da ein »Angestellter Daten und Resultate missbräuchlich verwendet habe«. Der Preis für eine Aktie der Firma stürzte von 14,91 Dollar auf 4,69 Dollar ab. Fünf Tage später, am 4. Mai 2009, wurde einen Gruppenklage von Aktienbesitzern im Bezirksgericht von Kalifornien gegen die Firma und ihren Vorstand wegen »falscher und irreführender Aussagen« angestrengt. Es gibt aber andere Firmen, die behaupten, ähnliche Tests zu entwickeln.

Elf
    SOLANGE JEMAND ihn jeden Tag liebt.
    Wer wird das sein? Das ist die Frage.
    Wie Molly und Eddie Santa Cruz, als sie versuchsweise über die erschreckende Idee einer Wohngruppe nachdachten, wie Brenda und Cliff Conger, als sie mit Brendas Stiefmutter darüber stritten, dass man das Haus von Brendas Vater für Cliffie sichert, wie Fergus und Bernice McCann, als sie das große Haus betrachteten, das sie für ihre Melissa gekauft hatten und sich fragten, wo sie jemanden finden würden, der dort mit ihr wohnen würde – wie sie alle denke ich, so sehr ich auch damit beschäftigt bin, wie ich mit Walker durch den Tag komme, noch mehr an die Zukunft. Wer wird sich um Walker kümmern, wenn wir tot sind?
    Johanna und ich haben nie die Vorstellung gehegt, dass Hayley Walker »erben« solle. Das war keine Überlegung, die auf Hayley selbst zurück ging. Ich hege keinen Zweifel, dass sie ihr Leben lang Anteil an ihrem