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Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Kamin hatte. Sie waren nicht besonders glücklich darüber, das muss ich zugeben, und für mich war diese Maßnahme auch nicht gerade eine Sternstunde. Aber trotzdem, die restlichen Dielen gleichen den Mangel aus. Schau her.«
    Mit weit aufgerissenen Augen sah Noah zu, wie der alte Mann völlig unbesorgt in die Küche trat – und sofort setzten sich die Dielen in Bewegung, hüpften bei jedem seiner Schritte hoch und nach vorn, so dass die Lücken sich verschoben, und der alte Mann fiel nie in eine hinein, weil immer genau im richtigen Moment eine Diele an die Stelle rutschte, wo sein Fuß als Nächstes hintreten würde.
    »Wie ungewöhnlich!«, rief Noah und schüttelte fassungslos den Kopf. Er wollte es nun auch wagen. Die Dielen machten genau das Gleiche wie vorher – sie hüpften aus ihren Plätzen heraus und landeten direkt unter seinen Füßen, bevor er in die Dunkelheit hinunterstürzen konnte –, aber sie machten jetzt mehr Lärm dabei, und Noah glaubte zu hören, wie sie nach Luft schnappten.
    »Sie sind nicht an zwei Leute gewöhnt«, erklärte der alte Mann. »Deshalb werden sie bei dir schneller müde. Wir sollten sie nicht überstrapazieren. Und jetzt gibt’s was zu essen, würde ich sagen.«
    Auf der Anrichte standen verschiedene Speisen. Noah ging langsam auf sie zu, leckte sich die Lippen und merkte richtig, wie ihm die Spucke im Mund zusammenlief. Er musste daran denken, wie glücklich der hungrige Esel wäre, wenn man ihn einladen würde.
    »Bitte«, sagte der alte Mann und deutete auf die Schüsseln und Platten. »Bedien dich. Nimm einfach einen Teller und such dir aus, was du möchtest. Wenn es nicht reicht, finde ich bestimmt noch –«
    »Nein, nein«, unterbrach ihn der Junge schnell. »Das ist mehr als genug. Vielen Dank, Sir.« Plötzlich überkam ihn eine große Zuneigung zu seinem Gastgeber. Er war ihm so dankbar für seine Freundlichkeit und Güte! Entschlossen lud er sich einen Teller voll: Aufschnitt, Krautsalat, ein Brötchen, eine Ecke holländischen Käse, zwei hartgekochte Eier, ein paar Würstchen, eine Scheibe Speck, ein bisschen Meerrettich.
Das dürfte fürs Erste reichen
, dachte er. Mehrere sehr saftig aussehende Orangen pressten sich selbst in einen Krug am anderen Ende der Anrichte, und Noah wartete, bis sie fertig waren, bevor er sich ein Glas mit Saft eingoss.
    »Sag nur ja nicht danke!«, zischte eine der Orangen und funkelte den Jungen böse an. Sie hatte sich zu einer erschöpften, zusammengedrückten Schale gequetscht und lag mit anderen auf einem Haufen.
    »Vielen Dank«, sagte Noah und wich verschüchtert einen Schritt zurück. Auf dem Fenstersitz saß ein hölzerner Teddybär mit weißen Haaren, die ihm in die Augen hingen. Er trug eine knallrote Fliege aus Holz, und Noah überlegte, ob er sich zum Essen neben ihn setzen sollte. Aber weil der Bär ein leises Brummen von sich gab, als Noah auf ihn zukam, blieb er stehen und wusste nicht weiter.
    »Setz dich am besten da drüben hin, mein Junge«, sagte der alte Mann und deutete auf zwei Stühle, die sich am Küchentisch gegenüberstanden. Er zögerte einen Moment, dann nahm er ein neues Stück Holz und ein größeres Messer als das im Laden, mit einer schärferen Klinge, und fing wieder an zu schnitzen, zuerst ganz vorsichtig, doch mit der Zeit immer zielstrebiger. »Dann will ich’s noch mal versuchen«, sagte er mit einem Lächeln.
    »Was schnitzen Sie jetzt?«, erkundigte sich Noah. »Wieder ein Kaninchen?«
    »Hoffentlich nicht«, erwiderte er. »Aber es wird nie so, wie ich es mir ausdenke – wer weiß, was diesmal dabei rauskommt. Andererseits schadet es ja nichts, wenn man’s noch mal versucht.« Er setzte sich auf den anderen Stuhl und fasste sich mit der Hand ans Kreuz. »Rückenschmerzen«, brummelte er, als er merkte, dass Noah ihn beobachtete. »Das ist eine der Schattenseiten, wenn man älter wird. Aber ich kann niemandem Vorwürfe machen, höchstens mir selbst. Ich hätte so bleiben sollen, wie ich war. Ich nehme an, du denkst, alle Leute werden alt und ich habe kein Recht, mich darüber zu beschweren.«
    »Nein«, sagte Noah, ohne eine Sekunde zu überlegen. »Nein, das habe ich überhaupt nicht gedacht. Nicht alle Leute werden alt.«
    Der alte Mann betrachtete ihn nachdenklich, stellte aber keine Fragen. »Iss«, sagte er nach einer Pause und deutete auf den Teller, der vollgeladen vor dem Jungen stand. »Iss, bevor es heiß wird.«
    Noah schlang sein Essen nicht hinunter, obwohl er einen

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