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Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Dorf nie mehr verlassen.«
    »Warum hat er dann eine Puppe von ihm gemacht?«, wollte Noah wissen und zog an den Fäden: Die Augen des Königssohns wanderten nach oben, als würde er den Himmel betrachten.
    »Weil ich ihn kennengelernt habe«, erklärte der alte Mann. »Er spielt eine wichtige Rolle in meiner Geschichte. Das war, nachdem die Bezirksverwaltung mich zum schnellsten Läufer in einem Umkreis von dreiundfünfzig Meilen ernannt hatte und ich sehr berühmt wurde. Ich bekam eine Einladung, mein Können anderswo vorzuführen. Es war meine erste Einladung, und ich nahm sie an, versprach aber, gleich wieder zurückzukommen.«
    »Und – sind Sie gleich wieder zurückgekommen?«
    Der alte Mann nickte. »Ja«, sagte er. »Ja, in diesem Fall habe ich mein Versprechen gehalten.«

Kapitel 13 Die Königssohn-Marionette
    Dass ich so ein erfolgreicher Läufer war (sagte der alte Mann), sprach sich schnell in den Dörfern hier in der Umgebung herum und danach in den Kleinstädten, die hochmütig auf die Dörfer herunterschauten, und schließlich auch in den Großstädten, die für die Kleinstädte nur Verachtung übrig hatten.
    Eines Nachmittags, als ich nach der Schule in den Spielzeugladen kam, saß mein Vater an der Theke und kolorierte gerade die Waggonfenster eines Zugs, den er in den letzten Tagen geschnitzt hatte.
    »Ah«, rief er mit einem breiten Grinsen, als ich hereingerannt kam. »Da bist du ja endlich. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
    »Entschuldige, Poppa«, sagte ich mit einem Blick auf die Uhr. »Ich habe heute länger gebraucht als sonst, um nach Hause zu kommen. Fast drei Minuten.«
    »Na ja, die Schule ist vier Meilen von hier entfernt«, sagte Poppa. »Da solltest du wirklich nicht so streng mit dir sein.«
    »Aber normalerweise brauche ich nur gut zwei Minuten«, sagte ich, streckte meine Beine und rannte so schnell auf der Stelle, dass der Fußboden unter mir laut ächzte und mich anflehte, doch bitte aufzuhören. »Ich muss noch härter trainieren.«
    »Du trainierst doch schon so hart«, sagte Poppa und hielt mir einen großen cremefarbenen Briefumschlag hin. »Hier – eine Überraschung«, sagte er. »Dieser Brief ist heute Morgen für dich gekommen.«
    Ich war ganz aufgeregt. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie Post bekommen, deshalb war es für mich wirklich etwas Besonderes.
    »Wer schreibt mir?«, fragte ich und schaute verwirrt zu meinem Vater auf.
    »Öffne den Brief – dann weißt du’s.«
    Einen Moment lang starrte ich auf den Umschlag, wog ihn in der Hand, fuhr dann vorsichtig mit dem Finger unter das Siegel und holte den Briefbogen heraus. Ich las ihn erst nur für mich durch, dann trug ich ihn laut vor.
     
    Lieber Sir
(stand da),
    Ihre Edlen Majestäten, der König und die Königin, fordern Sie auf, am Sonntag, dem
13
. Oktober, bei Hofe zu erscheinen und den Majestäten Ihre große Begabung als Läufer vorzuführen, für die Sie im ganzen Land berühmt sind. Bitte kommen Sie pünktlich um zehn Uhr morgens in den Palast und fragen Sie am Empfang nach mir.
    Sir Carstairs Carstairs
    Stallmeister Ihrer Majestäten
     
    »Der König und die Königin schreiben mir«, rief ich und schaute erstaunt zu meinem Vater auf. »Ich kann es nicht fassen, dass sie überhaupt wissen, wer ich bin. Ich muss ihre Einladung natürlich annehmen.«
    »Aber du hast doch Schule«, protestierte Poppa. »Du kannst nicht den Unterricht versäumen, nur um ein bisschen zu laufen.«
    »Ach, ich bin ja nur ein, zwei Tage weg«, sagte ich. »Da merken sie nicht einmal, dass ich fehle.«
    »Und was ist mit mir?«, fragte Poppa leise, und seine Stimme war ganz traurig. »Du kommst doch wieder zurück zu mir, oder?«
    »Ja, natürlich!«, verkündete ich. »Ich lasse dich doch nicht allein.«
    »Versprichst du mir das?«, fragte Poppa.
    »Ja, klar«, sagte ich lächelnd, ohne mir zu überlegen, ob ich es wirklich ernst meinte.
    Und so kam es, dass ich am Abend des zwölften Oktobers die etwa hundert Meilen zum Hafen lief und an Bord eines Schiffes ging, das in Richtung Palast fuhr, und am nächsten Morgen stand ich schon in meiner Sportkleidung im Innenhof, als der König und die Königin heraustraten, um ihren täglichen Gesundheitsspaziergang zu machen. Hinter ihnen spazierte ein junger Mann, der höchstens ein paar Jahre älter war als ich. Er hatte hellblonde Haare und trug eine goldene Krone, und er reckte den Hals, weil er zum Himmel hinaufschaute.
    »Bist du der Junge, von dem die Leute sagen,

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