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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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wusste nicht einmal, ob es in den Vereinigten Provinzen Klöster gab. Womöglich musste sie in den Süden fahren, nach Antwerpen, um eines zu finden. Wie sollte sie dort hinkommen? Sie hatte nur ein paar Münzen bei sich.
    Doch sie wollte sich mit diesen Befürchtungen nicht quälen.
Miguel würde sie niemals abweisen. Zumindest würde er ihr jetzt, da er wieder ein bedeutender Kaufmann war, finanzielle Unterstützung zukommen lassen. Dann konnte sie woandershin gehen und neu anfangen, sich vielleicht als Witwe ausgeben. Es wäre kein ideales Leben, aber auch kein erbärmliches. Die Welt lag offen vor ihr, und wenn sie sich ihr neues Zuhause auch nicht selbst aussuchen konnte, so glaubte sie doch, dass es auf jeden Fall besser wäre als der Ort, wo sie herkam.
    Miguel hatte für sein neues Haus noch keine Dienstboten eingestellt, daher öffnete er selbst die Tür. Er starrte sie einen Moment lang an, unsicher, was er tun sollte, und bat sie dann herein.
    »Ich habe Ihrem Bruder erzählt, dass das Kind von Ihnen ist«, sagte Hannah, sobald sie hörte, dass die Tür ins Schloss fiel.
    Er drehte sich mit unergründlichem Gesichtsausdruck um. »Wird er Ihnen eine Scheidung zugestehen?«
    Sie nickte.
    Miguel sagte nichts. Sein Kinn verkrampfte sich, und er gab sich mit halb zugekniffenen Augen einem langen, einem grausam langen unerforschlichen Schweigen hin.
    Zu viele Fensterläden im Haus sind geschlossen, dachte sie, und die Flure wirkten düster; das Weiß der Fliesen zeigte sich als mattes Grau. Miguel wohnte jetzt hier, aber er hatte sich sein Heim noch nicht zu Eigen gemacht. An den Wänden hingen keine Gemälde. Ein verstaubter Spiegel stand auf dem Fußboden. Von weit her konnte Hannah eine brennende Öllampe riechen, und sie sah das schwache Tanzen des Lichts aus einem anderen Raum. Irgendwo schlug eine Uhr.
    »Wenn ich Sie zur Frau nehme«, sagte er schließlich, »werden Sie mir dann in allen Dingen gehorchen?«

    »Nein«, sagte sie. Sie biss sich auf die Lippe, um sowohl Tränen als auch ein Grinsen zu unterdrücken.
    »Nicht einmal ein bisschen?«, fragte er.
    »Na schön. Ich werde Ihnen ein bisschen gehorchen.«
    »Gut. Ein bisschen ist alles, was ich verlange«, sagte er und streckte die Hände nach ihr aus.

34
    Den Bauch voll mit leicht geräuchertem Hering, dazu weiße Rüben und Lauch, lehnte Miguel sich zurück und beobachtete die Leute im Schnellboot . Dies war seine große Stunde. Alle Männer der portugiesischen Nation sprachen über seine wundersame, wenn auch weitgehend undurchsichtige Manipulation des Kaffeemarktes, ein Markt, der so unbedeutend gewesen war, dass die meisten ihn unbeachtet ließen. Lienzo hatte sich als Mann von Format erwiesen, sagten sie. Parido hatte versucht, ihn zu vernichten, doch Lienzo hatte ihm seine Schurkerei heimgezahlt. Brillant. Genial. Dieser Mann, der ihnen früher wie ein törichter Spieler erschienen war, entpuppte sich jetzt als großartiger Geschäftsmann.
    Etliche der ranghöchsten Händler saßen an Miguels Tisch und betranken sich mit dem guten Wein, für den er bezahlt hatte. In dem Augenblick, in dem er zur Tür hereinspaziert war, hatten ihn Neugierige umringt, und es war schwierig für ihn gewesen, sich seinen Weg zu seinen neuen Freunden zu bahnen. Ältere Senhores, die Miguel einst mit Verachtung angesehen hatten, wollten nun Geschäfte mit ihm machen. War Senhor Lienzo interessiert an einem Handel mit Ingwer? Wollte Senhor Lienzo hören, welche Möglichkeiten sich an der Londoner Börse auftaten?
    Senhor Lienzo hatte großes Interesse an diesen Vorschlägen,
und er hatte noch größeres Interesse an der Tatsache, dass diese Männer jetzt Kontakt zu ihm suchten. Aber, so dachte er, Kaufleute behandelte man am besten wie holländische Dirnen. Wenn sie fürs Erste ein wenig hingehalten wurden, wären sie später umso leichter zu haben. Sollten sie warten. Miguel hatte noch keine feste Vorstellung, was er mit seiner neu erlangten Liquidität anfangen sollte. Er war nicht so reich, wie er es sich erhofft hatte, aber er besaß genug, und bald würde er eine Ehefrau und – schneller als erwartet – ein Kind haben.
    Über die Ironie des Schicksals musste Miguel einfach lachen. Da wollte der Ma’amad einen rechtschaffenen Mann, der es unziemlicherweise gewagt hatte, einem Bettler ein paar Münzen zuzuwerfen, aus der Gemeinde verstoßen, andererseits durfte Miguel seinem Bruder die Frau wegnehmen, so lange er sich dabei an das Gesetz hielt. Man würde

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