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Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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hier geschrieben hat. «
    Von den Ärzten trat nun einer nach dem anderen hervor und besah sich das Gekritzel auf dem Fußboden.
    » Das sind Primzahlen, das sind Berechnungen mit lauter mit sich selbst multiplizierten Primzahlen « , sagte ein Student verblüfft.
    » Dieser Junge ist genial « , rief ein anderer.
    » Quatsch, genial « , blaffte der Professor. » Manische Zahlenreihen! Das ist Schizophrenie! «
    Marie verweilte einen Moment lang auf der obersten Stufe, bevor sie endlich mit Felix durch die erlösende Tür aus dem Hörsaal trat. Nein, sie hatte nicht geträumt. Sie hatte die Rufe der jungen Studenten genau gehört. Jedes Wort hallte in ihr nach. Stolz presste sie ihre Lippen aufeinander. Sie hatte es ja gewusst, sie hatte es die ganze Zeit gewusst.
    *

Von all dem hatte Paul keine Ahnung, als er vor seinem Freund Otto in der Hollertauer Volksbank saß.
    » So « , sagte dieser und schob Paul die vorbereiteten Kreditverträge über den Tisch.
    Prüfend ließ Paul seinen Blick darüberwandern. Seine Gesichtszüge versteiften sich.
    » Wieso sechs Prozent? « , fragte er scharf. » Draußen im Aushang steht 3 , 8 . «
    Otto zündete sich eine Zigarette an und zuckte die Achseln.
    » Das ist Ermessenssache « , sagte er ohne Umschweife. » Eine Einschätzung des Risikos sozusagen. Und der Kredit für einen Hopfenbauern, der sich gegen die größte Brauerei im Landkreis stellt, das ist ein kapitales Risiko. «
    Paul lockerte seine Krawatte. Ihm war heiß, er musste überlegen.
    » Da stehe ich mit dem Rücken zur Wand « , versuchte Otto sein eigenes Risiko zu erläutern.
    Paul wusste nur zu gut, dass genau das für ihn galt. Für ihn allein. Er unterzeichnete den Vertrag.
    *

Als Marie in München in den Bus stieg, hatte ein leichter Schneefall eingesetzt, der auf der Fahrt immer stärker wurde. Erschöpft starrte Marie hinaus in die Winterlandschaft, verlor sich beim Betrachten der weißen Felder und zugeschneiten Straßen. Fast schien ihr, als ob der Schnee alles zudecken wollte, was sich an Kummer in ihr aufgetürmt hatte, alles vergessen machen könnte, was sie quälte. Wie hatte sie als Kind den Winter geliebt, immer war er ihr als Zeit der Erwartung erschienen, als weißer Traum, der die Hoffnungen auf Kommendes noch verdeckte, aber eine Ahnung davon schon spüren ließ. Nichts von alledem konnte sie heute noch empfinden. Keinen Schritt war sie in ihrem Bemühen um Felix weitergekommen. Wie sollte das jetzt nur weitergehen? Trostlos war ihr zumute, als sie vom Bus aus nach draußen sah und ihr Blick sich in dem kalten Himmel verlor.
    *

In der einbrechenden Dämmerung spiegelte sich Maries Gesicht in der Scheibe des Landbusses, als sie endlich auf das Dorf zufuhren. Sie spürte, wie ihr die Brust schwer und ihr ganzer Körper müde wurde. Wie betäubt fühlte sie sich.
    Sie waren wieder zu Hause. Mit einem Satz sprang Felix an der Haltestelle, die kaum zweihundert Meter vom Hof entfernt lag, heraus. Seine Wangen röteten sich vor Überraschung, als er sah, wo sie waren.
    » Nun geh schon « , sagte Marie leise.
    Und Felix fing an zu laufen. Mit den Armen schwingend lief und sprang er den vertrauten Weg entlang. Marie hingegen hatte das Gefühl, ein Bleigewicht mit sich zu tragen. Jeder Schritt fiel ihr unendlich schwer.
    In diesem Moment hörte sie ein vom Dorf kommendes Auto, beim Näherkommen erkannte sie den Ford ihres Mannes. Als Paul Marie von weitem entdeckte, leuchteten seine Augen auf. Er fuhr langsamer und brachte den Wagen neben ihr zum Stehen. Er stieg aus, ging auf sie zu und sah ihr in die Augen, ohne etwas zu sagen.
    » Ich hab mir nicht mehr zu helfen gewusst « , flüsterte Marie leise.
    » Hat es wenigstens was gebracht? « , fragte Paul.
    Marie sah ihm an, dass er ihr längst verziehen hatte. Sah ihm an, wie froh er war, sie wieder hier zu wissen. » München war die Hölle « , sagte sie ehrlich. » Die machen alles nur schlimmer. «
    Blass sah sie aus, mitgenommen. All ihre Kraft hatte sie eingesetzt, und nun stand sie mit leeren Händen hier.
    » Du weißt ja, was ich von den Doktoren halte « , versuchte Paul sie zu trösten. » Gesund gehst du hin, und krank kommst du wieder heraus. «
    Marie schluckte. Ein schmerzliches Lächeln lag in ihrem Gesicht, als sie ihren Mann plötzlich musterte.
    » Was hast du denn deinen Sonntagsanzug an? « , fragte sie. » Wo warst du denn? «
    Paul schlug die Augen nieder.
    » Ach nix … Marie « , nun sah er sie wieder an, » jetzt quälen

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