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Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Finger einen Platz am Ende der Schlange zuweisen wollte, sagte sie mit fester Stimme: » Ich möchte meinen Sohn aus der Kinderpsychiatrie abholen. Es ist dringend. «
    Als die Frau merkte, dass Marie nicht wanken und nicht weichen würde, sagte sie genervt: » Der Name, bitte. «
    » Felix « , antwortete Marie. » Felix Moosbacher. «
    Die Schwester sah in ihre Liste. » Ihr Sohn ist im Moment nicht auf der Station. «
    » Bitte? « Marie verstand nicht. Reglos stand sie da und starrte die Schwester an.
    » Ihr Sohn ist in einem Hörsaal. Hörsaal 10 , drittes Gebäude links. «
    Noch immer stand Marie wie angewurzelt da. Ihre Gedanken überschlugen sich. Was um alles in der Welt hatte das nun wieder zu bedeuten?
    Voller Angst rannte sie über den Hof der Universitätsanlage, bis sie endlich das Gebäude gefunden hatte. Sie suchte auf der Eingangstafel das richtige Stockwerk und eilte die Treppen hinauf, bis sie vor dem gesuchten Raum stand. Eine Sekunde verharrte Marie und schnappte nach Luft. Dann riss sie die Tür auf. Das Bild, das sich ihr bot, überstieg alles, was sie sich hätte vorstellen können.
    *

Steil herabführende Sitzreihen säumten den Saal. Auf dem Podium stand eine Reihe von Ärzten und Studenten in weißen Kitteln, in der Mitte hielt Professor Metzler das Rednerpult mit beiden Händen umklammert und redete auf seine Kollegen ein. Sie hatten Felix in einen Rollstuhl gesetzt, der Junge trug einen gestreiften Schlafanzug und fingerte mit seinen kleinen Händen an der Mechanik der Räder und Bremsen. Dabei beugte er sich so weit aus dem Rollstuhl heraus, dass ihn ein junger Assistenzarzt immer wieder zurückschieben musste, um ihn am Herausfallen zu hindern.
    » Ungewöhnlich, meine Herren, ungewöhnlich, aber deshalb umso interessanter für uns « , sagte der Professor und fixierte die um ihn versammelten Kollegen und Schüler scharf. » Felix Moosbacher ist erst sechs Jahre alt und zeigt doch ganz deutlich relevante Symptome der normalerweise im pubertären Stadium lokalisierten Schizophrenie. «
    Schizophrenie. Das Wort hallte in Marie nach. Wie in Trance war sie Stufe für Stufe herabgestiegen. Keiner der Herren hatte sie beachtet. Der Professor verstand es, die Aufmerksamkeit der um ihn versammelten Männer zu fesseln.
    Auch Felix nutzte die Gelegenheit und war nun unbemerkt von den anderen aus seinem Rollstuhl geklettert. Das Muster des Parkettbodens hatte es ihm angetan, leise und unhörbar hatte er begonnen, die Fugen zu zählen, und sich dabei bis zur Tafel vorgearbeitet. Dort lag ein Stück Kreide, das Felix in die Hand nahm. Dann rutschte er wieder auf die Knie und fing an, mit der Kreide eine Reihe von Zahlen auf den Boden zu malen.
    » Aggressiv, unberechenbar « , führte der Professor aus. » Da, wo er eben noch sanftmütig, ja apathisch war, wird er plötzlich zum Tyrannen, der alles um sich herum angreift. Dieses Verhalten kennen wir bereits als deutliches Anzeichen der Schizophrenie. «
    Inzwischen war Marie durch die Reihen nach vorne gegangen und hatte nun das Podium erreicht.
    » Was soll das? « , unterbrach der Professor sichtlich verärgert. » Das ist hier ein Hörsaal! «
    Ein junger Assistenzarzt versuchte, sie zurückzudrängen.
    » Lassen Sie mich los! « , rief Marie energisch. » Nehmen Sie Ihre Hände weg! «
    » Frau Moosbacher « , sagte der Professor nun und legte seine ganze Autorität in seine Stimme. » Sie stören eine wissenschaftliche Demonstration. «
    Doch Marie war nicht zu halten. Sie drängte sich durch die Arztkittel hindurch und griff nach Felix. Zog ihn hoch von seinen Zahlen und versuchte, gemeinsam mit ihrem Sohn an den Ärzten vorbei vom Podium herabzusteigen.
    » Lassen Sie mich « , fauchte sie jeden an, der nach den beiden greifen wollte. Die Wut verlieh ihr ungeahnte Kraft.
    » Sie reden und reden « , rief Marie Professor Metzler zu. » Ich hab bestimmt nur die Hälfte verstanden. Aber eines weiß ich genau. Dass Sie meinem Buben nicht helfen können! «
    Für einen Moment war es ganz still im Saal. Marie hatte die Treppenstufen erreicht. Mit Felix an der Hand lief sie so rasch es ging nach oben.
    » Frau Moosbacher, so geht das nicht « , rief ihr der Professor hinterher. » Das wird Sie teuer zu stehen kommen. «
    In diesem Moment bemerkte einer der Ärzte, was Felix da alles auf dem Holzboden notiert hatte. » Herr Professor « , rief er.
    » Ja, was ist denn? « , antwortete der, immer noch verärgert.
    » Schauen Sie mal, was der Junge

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