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Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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nach Maries Rückkehr hatte der Schneefall so weit nachgelassen, dass Paul zum ersten Mal seit Wochen wieder hinaus auf das Hopfenfeld fahren konnte. Schon früh am Morgen machte er sich auf den Weg.
    In dieser Nacht hatte Marie, wie in den Nächten zuvor, kaum ein Auge zugemacht. Doch als der Morgen dämmerte, spürte sie, dass sich etwas verändert hatte. Mit dem Wetterumschwung war etwas in ihr aufgebrochen. Sie wusste, dass sie handeln musste.
    Gegen elf Uhr zog sie ihren Mantel und ihre Winterschuhe an, band sich ein Tuch fest um den Hals und verließ das Haus. Fast eine dreiviertel Stunde Fußweg lag vor ihr, doch Marie spürte die Entfernung kaum, hatte kein Gefühl für die Kälte des wolkenlosen Himmels und den Wind, der seit dem Morgen von Osten kam und alles durchdrang.
    Endlich hatte sie das Hopfenfeld erreicht. Paul sah sie im Rückspiegel seines Traktors kommen, verblüfft stellte er den Motor ab und kletterte vom Fahrersitz herunter. Langsam gingen sie aufeinander zu. Nur wenige Meter trennten sie noch voneinander, als sie endlich sein Gesicht erkennen konnte. Die scharfe Luft hatte seine Wangen gerötet, der kalte Wind schnitt ihm in die Augen und verengte seinen Blick. Seit Tagen schwiegen sie einander an, und nun war sie den ganzen weiten Weg herausgekommen, um mit ihm zu sprechen.
    » Was ist? « , fragte er misstrauisch. » Was ist los? «
    » Ich lasse den Felix so nicht vor die Hunde gehen « , sagte Marie. » Ich will ihn noch mal untersuchen lassen. «
    Paul rollte seine Augen gen Himmel. Er holte tief Luft. » Und wo soll es jetzt hingehen? « , fragte er spöttisch.
    Marie nahm all ihren Mut zusammen. » Nach Berlin « , sagte sie leise. » In Berlin, da gibt es … «
    Paul glaubte sich verhört zu haben. » Berlin? « , schrie er. » Bist du jetzt total übergeschnappt? Und als Nächstes willst du mit ihm zum Mond fliegen, oder was? «
    » Mit dir kann man ja nicht reden. « Marie starrte ihn mit einer Mischung aus Wut und Enttäuschung an.
    » Und wer soll die ganzen Extratouren zahlen? « , fragte Paul. » Wir haben noch zwei Kinder, die brauchen dich auch! «
    » Dir geht’s doch gar nicht um die Kinder « , entgegnete Marie scharf. » Dir geht’s doch um meine Arbeitskraft. «
    Paul schluckte, doch dann sah er seine Frau offen an. » Und wenn es so ist? Wenn ich dich hier brauche, verdammt noch mal? « Wütend zog er eine Zigarette hervor und zündete sie an.
    Marie hielt seinem Blick stand. Nein, sie würde nicht klein beigeben, diesmal nicht. » Warum soll der Felix dafür büßen, wenn du dich übernimmst? « , fragte sie in kaltem Zorn.
    Für einen Moment verschlug es Paul die Sprache. Was bildete sich seine Frau ein?
    » Weil eine Familie zusammenhalten muss « , sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, » weil nicht immer einer eine Extrawurst haben kann. «
    » Berlin ist unsere einzige Chance « , entgegnete Marie unbeeindruckt. » In München, da habe ich einen Arzt aus Berlin getroffen. Der ist auf Kinder wie den Felix spezialisiert. «
    » Ein Wunderheiler, ja? « , kommentierte Paul ironisch.
    » Schmarrn « , fauchte Marie. » Aber einer, der sich auskennt. Und vielleicht der Einzige, der uns helfen kann. «
    Paul starrte seine Frau an. Spürte, wie es an seiner Schläfe pochte. Wusste nicht wohin in seinem ohnmächtigen Zorn. Wie stur sie war, so stur wie ein Esel! Sie würde nicht nachgeben. Keinen Schritt würde sie ihm entgegenkommen.
    » Bei dem hätte ich ein gutes Gefühl « , sagte Marie leise, » dass er rauskriegt, was unserem Buben fehlt. «
    Paul schlug die Augen nieder. Biss die Lippen so fest aufeinander, bis nur noch zwei schmale Striche zu sehen waren. » Eine Woche « , presste er hervor. » Eine Woche und keinen Tag länger. «
    *

» Zweitausendeinhundertelf, zweitausenddreihundertelf, zweitausendfünfhundertelf, zweitausendsiebenhundertelf « , murmelte Felix, als er fest in seine Winterjacke gehüllt vor den Speichen des Überlandbusses stand, der ihn und seine Mutter von Ingolstadt aus nach Berlin bringen sollte.
    » Zahlen, nichts als Zahlen hat der Bub im Kopf « , seufzte Paul und wuchtete Maries Koffer und ihre Reisetasche aus dem Auto heraus.
    Der Busfahrer nahm sie ihm aus der Hand und schob sie zu dem Gepäck der Mitreisenden tief in den Bauch des Busses hinein.
    » Also « , sagte Marie leise, und bevor sie noch wusste wie ihr geschah, nahm Paul sie vor all den Leuten in den Arm und drückte sie ganz fest an sich.
    » Also. «

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