Der kalte Kuss des Todes
Grant ermordet, Sladkich ermordet. Zwei Morde innerhalb von vierundzwanzig Stunden. Ob Nikitas Männer sich für den ermordeten Killer genauso ins Zeug legen werden?, überlegte Katja müde. Nikita kann diese ganze Publicity ja auf den Tod nicht ausstehen. Sein heimliches Credo ist schließlich allgemein bekannt: Je öfter und schneller die Gauner sich gegenseitig umlegen, desto besser. Vielleicht tut er jetzt einfach so, als bearbeiteten sie diesen Mordfall, und in Wirklichkeit drehen sie bloß Däumchen?
Bis zur Mittagspause war noch viel Zeit, und Katja musste warten. Brav schwitzte sie über einem Artikel für die »Straßenpatrouille«. Plötzlich streikte ihr Kugelschreiber. Sie suchte in ihrer Handtasche nach dem Reservekuli und stieß dabei auf Dmitri Basarows »Blue Blockers«, seine teure Sonnenbrille. Im Nu war ihre Konzentration dahin. Die Beerdigung fiel ihr wieder ein.
Am Freitag war Wadim um halb eins in der Nacht stark angetrunken vom »Herrenabend« erschienen. Katja wusste, dass er sich sogar in einem solch gefährlichen Zustand noch ans Steuer setzte. Wie oft hatte sie sich deswegen schon mit ihm gezankt!
Samstagmorgen, sie lagen noch im Bett, hatte sie versucht, ihm wegen »Trunkenheit am Steuer und sträflichem Leichtsinn« eine Szene zu machen, doch Wadim lächelte sie nur schlaftrunken an und vergrub sein Gesicht wieder im Kissen. Anschließend musste Katja das treue Frauchen spielen, das für die Dienstreise des Mannes die Koffer packt. Wadim flog zwar nur für zwei bis drei Wochen nach Österreich, nahm aber einen unglaublichen Berg an Sachen mit. Am liebsten hätte Katja seine Klamotten zusammengeknüllt, in den Koffer gestopft und, wie die Heldin in dem unvergesslichen Film »Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs«, in hohem Bogen aus dem Fenster in den Müllcontainer geschleudert.
Wadim, wieder nüchtern, glatt rasiert und nach Eau de Toilette duftend, schmeichelte sich nach allen Regeln der Kunst ein und stand ihr die ganze Zeit im Weg herum. Bei ihm nannte sich das »packen helfen«. Er redete munter drauflos, hauptsächlich Tratsch über die Basarows, den er am Abend zuvor im engen Kreis gehört hatte. So erfuhr Katja auch, dass in der Männerrunde einer gefehlt hatte – Iwan, der jüngste der Brüder.
»Ich glaube, ihre Beziehungen untereinander sind ein wenig angespannt«, meinte Wadim. »Aber was müssen sie denn schon teilen? Hast du gesehen, wie sie leben? Jeder hat seine eigene Karre, und was für eine! Sogar dieser Grünschnabel hat seinen Opel oder Audi, aber seine Brüder sagen, er traut sich nicht zu fahren, setzt sich nicht selbst ans Steuer. Keine Frage, Basarow senior ist ein stinkreicher Bursche. Aber nur Dmitri arbeitet in seiner Firma mit, irgendwo in der juristischen Abteilung. Stepan hat sich von der Rechtswissenschaft endgültig verabschiedet. Weißt du, welches Talent er bei sich entdeckt hat? Gestern hab ich’s erfahren und hätte mich fast hingelegt.«
»Was denn für eins?« Katja fragte ganz mechanisch; sie legte gerade Wadims Schuhe in seine Sporttasche.
»Das Talent zum Pädagogen. Und was glaubst du, welches Fach er sich ausgesucht hat? Nicht mehr und nicht weniger als › Leben und Tod ‹ .«
»Kapier ich nicht.«
»Gestern hat er uns davon erzählt. Er leitet jetzt eine Militärsportschule, eine Art Survival-Camp. Sergej und er hatten nur noch ein Thema – wie überlebt man in Extremsituationen. Wenn ich vom Sankt Gotthard zurückkomme, werde ich mal bei Stepan vorbeischauen. Vielleicht kann ich bei ihm auch für meine Jungs etwas Nützliches erfahren.«
»Ihr habt euch gestern bei ihm voll laufen lassen, und die arme Lisa konnte euretwegen bis spät in die Nacht nicht nach Hause«, sagte Katja vorwurfsvoll.
»Wir waren ja gar nicht bei Stepan, sondern in ihrer gemeinsamen Wohnung.«
»In wessen Wohnung?«
»In der Wohnung der Zwillinge. Der Herr Papa hat ihnen am Prospekt des Friedens eine Vierzimmerwohnung gekauft. Da wohnt Dmitri jetzt allerdings allein. Übrigens«, Wadim warf Katja einen Seitenblick zu, »wenn du glaubst, deine Lisa hätte ihren Bräutigam schon völlig handzahm, irrst du dich. Sie leben jetzt schon einen Monat getrennt.«
»Wie bitte? Sie wollten doch eigentlich schon am 6. Juni heiraten.«
»Stepan steckt im Moment dauernd in Uwarowka. Die Basarows haben dort eine Datscha – der Großvater hat sie noch gebaut. Nicht weit davon entfernt liegt ein ehemaliges Erholungsheim. Das hat er offenbar schon seit über
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