Der kalte Schlaf
meinem Wissen deutlicher.
Ich erzähle Ginny von Sharons Tod, von Dinah und Nonie, von Marianne, der Adoption, die ansteht oder auch nicht. Es besteht keine Notwendigkeit dazu, aber ich merke, dass ich noch mehr sagen will, also erkläre ich die Sache mit Terry Bond und der Anwohnerinitiative, dem Verkehrserziehungskurs und dem Schwindel, den Jo und ich durchgezogen haben. Ich gestatte mir eine kleine Tirade darüber, wie heuchlerisch Jos Missbilligung ist, die sich ausschließlich auf mich richtet und nicht auf sich selbst, ich rege mich über ihre Behauptung auf, ich hätte die Erinnerung an Sharon verraten, indem ich die Eröffnungsfeier von Terrys Restaurant besuchte. Mittlerweile scheint es notwendig geworden zu sein, Jo in einen größeren Zusammenhang zu stellen, also erzähle ich Ginny alles, was sie meiner Ansicht nach wissen muss. Ich erzähle von Neil, Quentin, William und Barney, Sabina, Ritchie, Kirsty, Hilary, von dem zu kleinen, mit Leuten vollgestopften Haus.
Wieder und wieder höre ich mich diesen einen Namen sagen: Jo, Jo, Jo.
Ich muss das Thema wechseln. Ich kehre zu Dienstag zurück und erkläre Ginny, wie es dazu kam, dass ich in Charlie Zailers Wagen landete. Ich erzähle von dem Notizbuch, von DC Gibbs, der kurz darauf bei mir zu Hause auftauchte, wie ich ins Polizeipräsidium gebracht und vernommen wurde. Meine Versuche, zu schildern, wie grässlich DI Proust ist, bringen sie zum Lachen. Ihre Miene wird wieder ernst, als ich zu den Kopien der Akte Katharine Allen komme, die Charlie Zailer mir durch den Briefschlitz geschoben hat, aber sie unterbricht mich nicht. Sie ist eine gute Zuhörerin. Ihre ruhige Aufmerksamkeit überzeugt mich mehr als alles, was sie bisher gesagt hat, dass ich hier nicht meine Zeit verschwende. Niemand in meinem wirklichen Leben würde mir so lange ruhig zuhören, ohne zu versuchen, sich einzumischen.
Aber ist das ein Grund dafür, dass ich schon wieder anfange, von Jo zu sprechen, dass ich aufliste, was sie im Laufe der Jahre alles gesagt und getan hat, sämtliche trivialen Kleinigkeiten? Warum kann ich nicht damit aufhören?
Ich zwinge mich, über andere Leute zu sprechen, über Simon Waterhouse, über den jungen Polizisten mit der vom Rasieren geröteten Haut, den er als »Polizeipräsenz« bezeichnete. Ich erzähle Ginny von dem Gefallen, um den ich Charlie gebeten habe, von ihrer Weigerung und wie peinlich mir das war. Wie konnte ich nur annehmen, selbst in meinen kühnsten Träumen, dass sie sich zu so etwas bereiterklären würde? Das wäre mir nicht passiert, wenn ich in der Nacht ordentlich durchgeschlafen hätte, aber das war, bevor wir in Hilarys Haus zogen. Es war nach einer Nacht, in der ich gar keinen Schlaf bekommen hatte, nach der Brandnacht, der Nacht, in der ich der Eigentümerin von Little Orchard eine E-Mail schrieb, weil ich mir in den Kopf gesetzt hatte, dass ich dorthin zurückkehren müsste, dass ich dieses linierte Blatt Papier dort gesehen haben musste, obwohl ich gleichzeitig genau wusste, dass das nicht sein konnte. Und das ergibt überhaupt keinen Sinn. Ebenso wenig Sinn ergibt es, dass Neil in aller Herrgottsfrühe am Weihnachtsmorgen aufgeweckt wurde, den Befehl erhielt, die Kinder zu holen und gegen seinen Willen unterzutauchen, sich vor den Leuten zu verstecken, die er und Jo eingeladen hatten, um mit ihnen Weihnachten zu feiern.
Schließlich geht mir die Puste aus, und ich verstumme. Die Information, die ich zurückhalte, hallt in meinem Kopf wider, so laut, dass ich mir einbilde, Ginny müsse es hören. Ich habe nichts über Dinahs Geständnis gesagt, darüber, dass ich weiß, was »Lieb – Grausam – Liebgrausam« bedeutet. Ich versuche mir einzureden, dass es keine Rolle spielt. Ginny wird kaum vermuten, dass ich ihr meine vollständige Lebensgeschichte erzählt habe, ohne irgendwas auszulassen. Es gibt noch andere Dinge, die ich nicht erwähnt habe, viele Dinge, die alle unwichtig sind.
»Sie hatten Recht«, sagt sie. »Sie mussten sich das von der Seele reden. Ich hätte nicht versuchen dürfen, Sie davon abzuhalten. Bevor wir anfangen, möchte ich nur noch kurz auf etwas zurückkommen, das Sie ganz nebenbei erwähnt haben. Sie haben angedeutet, dass Sie besser schlafen können, seit Sie in das Haus von Jos Mutter gezogen sind?«
»Ja. Es war bisher nur eine einzige Nacht, aber … ich habe richtig gut geschlafen.«
Ginny nickt. »Wegen der Polizeipräsenz vor dem Haus.« Sie lächelt. »Sie sind nicht mehr im Dienst.
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