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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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haben, das Sie nicht hätten denken sollen. Warum haben Sie angenommen, dass Kirsty irgendwas wissen könnte?«
    Wenn ich ihm alles sage, kann er als mein Gehirn fungieren, und ich kann abschalten. Das wäre eine Erleichterung. Ich könnte schlafen. Der Schnee würde sich draußen auftürmen, über das Dach des Hauses hinweg, und ich würde weiterschlafen, tagelang. »Damals an Weihnachten, als Jo, Neil und die Kinder verschwanden … verschwand Kirsty ebenfalls.«
    »Was!?«
    »Nur für ein paar Minuten, aber am Anfang sah es so aus, als wären fünf Personen verschwunden, nicht vier. Bis Luke Kirsty fand.«
    »Sprechen Sie weiter«, sagt Simon.
    »Sie lag in Jos und Neils Bett. Als ich zuvor hineingeschaut hatte, auf der Suche nach Jo und Neil, war sie nicht dort. Sie muss in das Zimmer gewandert sein, während wir alle Haus und Garten absuchten. Hilary war erleichtert. Zumindest eins ihrer Kinder war wieder aufgetaucht.« Ich zucke die Achseln. »Das war’s. Keine große Sache, und es bestand kein Anlass, sich irgendwas dabei zu denken, aber … soweit ich weiß, war das noch nie zuvor passiert. Ich sehe Kirsty ziemlich oft. Das macht sie normalerweise nicht, sie legt sich nicht in die Betten anderer Leute. Und später an diesem Tag entwischte sie Hilary zweimal, ging in die Küche und stellte sich vor den Herd, genau an die Stelle, wo Jo gestanden hätte, wenn sie das Weihnachtsessen zubereitet hätte. Die Laute, die sie von sich gab, als Hilary versuchte, sie von da wegzuholen …«
    »Sie dachten, Kirsty versuche vielleicht, Ihnen etwas mitzuteilen?«, fragt Simon.
    Ich glaube, sie dachte, Jo würde nie wieder zurückkommen. Ich glaube, das war ihre Art auszudrücken, dass sie ihre Schwester vermisste.
    »Eigentlich nicht. Ich glaube an das Gesetz, nach dem alles, was schiefgehen kann, auch schiefgeht, und da liegt der Gedanke nahe, dass der einzige Mensch, der rein körperlich nicht in der Lage ist, einem zu sagen, was er weiß, der einzige Mensch sein muss, der etwas weiß.«
    Simon legt Notizbuch und Stift hin und tritt ans Fenster. Er öffnet es, und Schnee bläst herein.
    »Was tust du da?«, ruft Charlie. »Mach das Fenster zu!«
    »Ich brauche frische Luft, sonst kann ich nicht denken. Wenn dir das nicht passt, geh doch woandershin.«
    Weniger als eine Minute später sind wir allein im Raum, er und ich. Es ist kalt, aber das ist mir egal. Auch mir hilft es beim Nachdenken, es katapultiert mich aus meiner Betäubung. War es das, was er wollte, mit mir allein sein?
    »Jo wusste also, dass Dinah und Nonie zu Ihnen und Luke kommen würden, wenn Sharon etwas zustieß«, sagt er. »Das war Ihr großes Geheimnis?«
    »Luke war derjenige, der es nicht wusste«, sage ich. »Und Sharon wusste nicht, dass ich es ihm verschwiegen hatte. Ich habe beide angelogen. Das war es, was Jo wusste. Ich hatte panische Angst, dass sie es ihm eines Tages verraten würde – wenn ich das Falsche sagte, wenn sie dachte, ich hätte sie im Stich gelassen oder ihr nicht gehorcht.« Es kommt mir vor wie ein Testlauf. Es Luke zu erzählen wird schwerer sein. »Ich wusste, wie Sharon zu ihrer Mutter stand. Sie hat sie gehasst. Sie hat immer gesagt, ihre Mutter sei gefährlich, und zu Recht. Ich habe Marianne oft genug erlebt, um zu wissen, dass Sharon Recht hatte. Wahrscheinlich kennen Sie das gar nicht, Eltern, die versuchen, ihrem eigenen Kind die Selbständigkeit auszutreiben, und das Liebe nennen.«
    »Doch, vermutlich schon«, sagt Simon.
    »Die meisten Leute denken nicht über ein Testament nach, wenn sie noch jung sind, aber Sharon schon, noch vor ihrer Schwangerschaft. Sie hat immer alles geplant. Sie wollte ein Kind, aber nur, wenn dieses Kind nicht zu seiner Großmutter kam, wenn ihr etwas zustieß. Also fragte sie mich, ob ich bereit wäre, der Vormund des Kindes zu werden. Und … ich musste einfach zustimmen. Sie hatte sonst niemanden, den sie hätte fragen können. Ich war ihre beste Freundin.«
    »Sie hat Druck auf Sie ausgeübt?«
    »Nein, im Gegenteil. Ich dürfe nur zustimmen, wenn ich ein richtig gutes Gefühl dabei hätte, hat sie betont. Ihr war klar, wie viel sie da verlangte. Wenn ich abgelehnt hätte, hätte sie kein Kind bekommen. Nie. Das hat sie so nicht gesagt, aber wir wussten es beide. Wie konnte sie nur denken, dass es fair war, mich das zu fragen? Sie hätte wissen müssen, dass ich nicht ablehnen konnte!« Verblüfft starre ich Simon an. Woher kam auf einmal diese Wut? »Ich war damals Single. Das war,

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