Der kalte Schlaf
bevor ich Luke kennenlernte. Sharon wollte, dass ich gründlich darüber nachdachte, auf was ich mich da einließ. Sie war richtig … streng deswegen. Ich versuchte, es auf die leichte Schulter zu nehmen, ich sagte, du wirst schon nicht sterben und dein Kind mutterlos zurücklassen, aber Sharon ließ nicht zu, dass ich es so sah. Man weiß nie, was passiert, sagte sie, es passieren ja alle möglichen schrecklichen Dinge, ganz unerwartet. Wenn ich zustimmen würde, betonte sie, und es mir je mit einem Mann ernst sei, müsse ich es ihm sagen. Ich müsse ihm von dem Versprechen erzählen, das ich ihr gegeben hatte.«
Ich sehe Dinahs und Nonies schöne Gesichter vor mir. »Die Mädchen waren damals noch nicht geboren«, betone ich. Von der Logik her weiß ich, dass ich sie nicht im Stich gelassen habe, aber es kommt mir so vor. »Als sie dann da waren, wäre ich bereit gewesen, jedem Mann zu sagen, er solle sich verpissen, wenn er sie nicht haben wollte, aber …«
»Ich verstehe«, sagt Simon. »Und dann lernten Sie Luke kennen.«
Ich nicke. »Sharon war damals mit Dinah schwanger. Luke und ich – es ging alles sehr schnell. Ich erwartete ständig, dass Sharon mich fragen würde, ob ich mit ihm über unser … Abkommen gesprochen hatte, aber das tat sie nicht. Wahrscheinlich hielt sie es nicht für notwendig. Wir hatten alles ausführlich genug durchgesprochen, bevor sie ihr Testament machte, und der Gedanke, sie könne sterben, bevor ihre Kinder erwachsen waren, brachte sie immer ganz aus der Fassung. Als sie dann dazu kam, mich zu fragen, waren Luke und ich bereits verlobt und hatten den Termin für die Hochzeit festgesetzt.«
»Und Sie hatten ihm noch nichts von Sharons Testament erzählt?«
»Ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen. Ich hatte Angst, er würde …« Ich halte inne und versuche mich zu erinnern, wovor genau ich damals solche Angst hatte. »Ich weiß nicht, warum mir so sehr davor graute. Ich habe mir nie erlaubt, darüber nachzudenken. Sharon war jung und gesund. Warum sich wegen etwas aufregen, zu dem es sowieso nie kommen wird, sagte ich mir. Aber ich machte mir Sorgen, ich konnte nicht anders. Und weil ich mich nicht schuldig fühlen wollte, gab ich Sharon die Schuld. Warum war sie auch so blöd gewesen, mir zu vertrauen?« Ich beginne zu weinen. »Ich wollte ihr Baby nicht. Ich wollte, dass Luke und ich eigene Kinder hatten, und ich wollte nur diese Kinder haben.« Seltsam, ich kann dieses Gefühl immer noch empfinden, obwohl es sich längst geändert hat.
»Als Dinah geboren wurde, war sie so süß. Ich liebte sie vom ersten Augenblick an, und ich bekam Angst. Mir war klar, jetzt, wo es tatsächlich ein Baby gab, musste ich es unbedingt Luke erzählen, aber … unsere Hochzeit stand vor der Tür. Ich brachte es einfach nicht fertig. Was ist, wenn er nein sagt, dachte ich immer wieder. Warum sollte er bereit sein, das Baby meiner besten Freundin aufzunehmen? Was, wenn das dazu führte, dass ich ihn verlor oder dass ich Sharon verlor?«
»Also haben Sie es darauf ankommen lassen«, sagt Simon nachdenklich. Ich bin ihm dankbar, weil es nicht so klingt, als würde er mich verurteilen und für den schlechtesten Menschen auf der Welt halten. Vielleicht gelingt es ihm nur gut, es zu verbergen. »Verständlicherweise gingen Sie davon aus, Sharon würde leben, und Sie würden damit durchkommen.«
»Wie sich herausstellte, habe ich das Schicksal herausgefordert.«
»So sollten Sie nicht denken.«
»Als Nonie geboren wurde, verdoppelte sich meine Lüge: Jetzt waren es zwei Kinder, und Luke hatte keine Ahnung, dass seine Frau sich verpflichtet hatte, ihnen notfalls ein Heim zu geben. Zwei Kinder, die Sharon anbetete und die sie mir anvertrauen wollte, wenn sie sterben sollte, und ich spielte Roulette mit ihrer Zukunft. Was war, wenn Sharon starb und Luke sich schlichtweg weigerte, sie in sein Haus aufzunehmen? Was sollte ich dann tun?«
»Sie sind zu Jo gegangen, um sich Rat zu holen«, sagt Simon.
Ich lache durch die Tränen hindurch. »Der schlimmste Fehler meines Lebens. Seitdem verwendet sie es gegen mich. Sie kann nicht zugeben, dass dadurch keine Probleme zwischen Luke und mir entstanden sind. Er war großartig, als Sharon starb. Zu diesem Zeitpunkt liebte er die beiden Mädchen ebenso sehr wie ich. Er war nur zu gern bereit, sie aufzunehmen, das waren wir beide. Wir kamen überein, keine eigenen Kinder zu haben, Dinah und Nonie wurden unsere Kinder. Aber Jo konnte es nicht auf
Weitere Kostenlose Bücher