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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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Block abgerissen worden war.« Amber wies auf die Fotos. »Ein DIN-A4-Block, blau liniert und mit einer rosa Linie als Randbegrenzung – so wie dieser hier. Auf dem Blatt Papier stand ›Lieb – Grausam – Liebgrausam‹, genau wie bei diesem Abdruck, wie eine Liste. Sogar dieselbe Großschreibung. Nur war es kein Abdruck, sondern die Schrift selbst – schwarze Tinte. Ich konnte es ganz klar vor mir sehen. Und ich wusste, es konnte nicht Sergeant Zailers Notizbuch sein, denn das war viel kleiner, aber gleichzeitig wusste ich, dass ich diese Wörter in ihrem Notizbuch gesehen hatte.« Sie hielt inne. »Ich weiß, das ist widersprüchlich, aber das kann ich nicht ändern. Es gab und gibt Widersprüche in meinem Kopf. Ein Teil von mir glaubt immer noch, dass Ginny Saxon mir die Worte in den Mund gelegt hat.«
    Gibbs und Waterhouse wechselten einen Blick.
    »Ich habe nie eine der Wohnungen in der alten Getreidebörse betreten. Ich habe Katharine Allen nicht gekannt.« Amber blickte zu Waterhouse auf. »Was hat ›Lieb – Grausam – Liebgrausam‹ zu bedeuten? Wissen Sie es?«
    »Keine Ahnung«, räumte er mit zusammengebissenen Zähnen ein. Gibbs wusste, er betrachtete das als Eingeständnis seines Versagens – es war über einen Monat her, und er wusste es immer noch nicht.
    »›Lieb‹ und ›Grausam‹ sind ja klar, aber was um alles in der Welt soll ›Liebgrausam‹ bedeuten?«
    »Ich glaube, wir hatten schon geklärt, dass keiner von uns weiß, was es bedeutet«, warf Proust ein. »Bevor wir uns weiter mit den dunklen Künsten der Hypnose oder mit einem gespaltenen Verstand beschäftigen, sollten wir vielleicht erst einmal unsere Hausaufgaben machen. Wo waren Sie am Dienstag, den zweiten November, zwischen 11 und 13 Uhr?«
    So beunruhigt Amber inzwischen sein mochte, sie war schnell. Sie blätterte bereits in ihrem Terminkalender. »Ich kann mich nicht erinnern, aber wenn es ein Dienstag war, werde ich im Büro gewesen sein. Ich kann es Ihnen gleich … Oh.« Sie schlug den Terminkalender zu, als hätte sie etwas Unerfreuliches darin entdeckt.
    »Was ist?« Waterhouse hörte die Überraschung und stürzte sich darauf.
    »Ich wollte gerade sagen, dass ich Ihnen sofort mitteilen könnte, in welcher Sitzung ich war, aber wie sich herausstellt, war ich gar nicht im Büro.« Sie seufzte. »Ich war bei einer dieser Verkehrserziehungskurse, die ihr Typen so schätzt. Sie wissen schon – jemand überschreitet nachts, wenn niemand auf der Straße ist, ein bisschen die Geschwindigkeitsbeschränkung, und ehe man sich’s versieht, muss man einen Tag seines Lebens damit zubringen, einem langweiligen Schwätzer zuzuhören, der dämliche Rätselfragen stellt: Wenn Fahrer A auf der Autobahn am Steuer einschläft, langsamer wird und Fahrer B in ihn reinfährt und stirbt, wer ist dann verantwortlich für den Tod von Fahrer B?«
    »Sie mussten den Kurs nicht besuchen«, sagte Proust. »Sie hätten auch eine Geldbuße zahlen und Punkte sammeln können. Nur eins können Sie nicht: Das Gesetz brechen und damit durchkommen. Tut mir leid, wenn Sie das verärgert. Gibbs, geben Sie ihr einen Stift. Schreiben Sie bitte auf, wo dieser Kurs stattgefunden hat. Wird jemand bestätigen können, dass Sie daran teilgenommen haben?«
    »Ja und nein«, sagte Amber. »Wir wurden gebeten, den Führerschein als Identitätsnachweis mitzubringen, es wird also irgendwo festgehalten worden sein, dass ich teilgenommen habe, aber ich weiß nicht genau, ob sich noch jemand an mich erinnern wird. Ich kann mich an keins der Gesichter mehr erinnern, es ist schließlich schon ziemlich lange her.«
    »Und an was erinnern Sie sich?«, fragte Waterhouse.
    »Es war furchtbar langweilig. Lauter Arschkriecher, die versprachen, ihr Fahrverhalten ab sofort zu ändern.« Sie bemerkte offenbar, dass er sich mehr erhofft hatte, denn sie fügte hinzu: »Sie wollen, dass ich Ihnen etwas erzähle, das beweist, dass ich wirklich dort war und Katharine Allen nicht getötet habe? Etwas, das im Gedächtnis bleibt?«
    Gibbs verfolgte ihren inneren Kampf mit Interesse. Sie wollte es ihnen nicht erzählen. »Einer der Teilnehmer hieß Ed, ein Mann Ende sechzig. Die Namen der anderen Teilnehmer weiß ich nicht mehr, nur seinen. Der Schaumschläger von Kursleiter wollte wissen, ob einer von uns schon mal in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen war – wir selbst oder jemand, den wir kennen –, und etwa fünf Leute von den zwanzig, die da waren, hoben die Hand. Und der

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