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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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solche Schilder an Häusern in London gesehen, wenn Mama mit uns hingefahren ist, und sie waren alle an großen, alt aussehenden Häusern. Häusern wie diesem. Wie Downing Street Number 10. Wisst ihr noch, dieser Bungalow, den wir uns angesehen haben, mit dem schönen Garten? Das Haus fand ich wunderbar, aber ich habe so getan, als würde ich’s furchtbar finden, weil man auf so einem Haus nie eine Gedenktafel sieht!«
    Luke erwidert etwas: das Richtige, wie ich nur hoffen kann. Ich kann mich nicht konzentrieren. Warum braucht die Feuerwehr so lange? Aber vielleicht stimmt das ja auch gar nicht, vielleicht sitzen wir erst seit ein paar Sekunden hier draußen. Wenn man auf einem Flachdach sitzt, mehrere Meter von einem brennenden Haus entfernt, kann einen das Feuer dann trotzdem irgendwie erreichen, oder der Rauch? Wann sollten wir vom Dach springen? Noch nicht. Die Decken unseres alten, gedenkplakettenwürdigen Stadthauses sind hoch. Ich werde nicht riskieren, dass die Mädchen sich die Knochen brechen, wenn es nicht sein muss.
    Von vorn hat unser Haus große Ähnlichkeit mit Downing Street Number 10. Warum ist mir das vorher nie aufgefallen?
    »Wenn wir diesen Bungalow gekauft hätten, wäre das nicht passiert.«
    »Doch«, korrigiert Nonie ihre ältere Schwester, was sie sich nicht oft traut. »Der Brandstifter wollte nicht das Haus anzünden. Wenn wir in dem Bungalow gewesen wären, hätte er eben den Bungalow angezündet. Stimmt doch, Amber, oder?«
    Ich nehme sie in die Arme.
    »Amber?«
    »Hm?«
    »Beim letzten Mal … als Mama starb, hat der böse Mensch, der das Feuer gelegt hat, dafür gesorgt, dass Dinah und ich sicher rauskamen.«
    O Gott, bitte lass sie nicht das fragen, was sie gleich fragen wird.
    »Warum hat er das dieses Mal nicht getan?«
    Letztes Mal, dieses Mal, nächstes Mal . Für die meisten Siebenjährigen wäre es eine einmalige Sache, dass jemand ihr Haus anzündet. Etwas Schwarzes, Hartes wächst in mir. Vielleicht ist es Rachedurst.
    Luke sagt: »Wir wissen noch nicht, ob jemand das Feuer gelegt hat. Es könnte auch ein Unglück sein.«
    Nein, könnte es nicht.
    »Amber? Glaubst du, Oma Marianne hat unser Haus angezündet?«, fragt Nonie.
    »Sei nicht blöd«, gibt Dinah zurück.
    »Warum soll das blöd sein? Sie war immer gemein zu Mama, und sie will uns nie sehen. Sie ruft nicht mal mehr an.«
    »Eure Großmutter hat das Feuer nicht gelegt«, sage ich.
    Warum? Weil sie unmöglich das letzte Feuer gelegt haben kann? Muss es denn derselbe Täter sein?
    »Wir hätten die Batterien nicht aus den Rauchmeldern herausnehmen dürfen«, sagt Luke.
    »Wir haben ja einen menschlichen Rauchmelder.« Ich deute auf mich. Jemanden, der die ganze Nacht damit zubringt, von Raum zu Raum zu gehen und zu überprüfen, ob auch alles in Ordnung ist, für alle Fälle.
    »Amber?«
    »Ja, Nones?«
    »Ich würde es furchtbar finden, berühmt zu sein. Manchmal, wenn jemand mich in der Schule fragt, für was Nonie die Abkürzung ist und ich keine Lust habe Oenone zu sagen und zu erklären, dass das griechisch ist, sage ich, es ist die Abkürzung für Anonyma. Kann ich meinen Namen in Anonyma ändern, bevor sie in der Schule herausfinden, dass das nicht stimmt?«
    In der Ferne höre ich eine Sirene. Sie kommt näher. Ich beginne zu weinen.

 
    Wenn etwas einmal passiert, schenken wir der Sache vielleicht keine große Aufmerksamkeit. Passiert es zweimal oder öfter, fangen wir an, ein Muster zu sehen. Die menschliche Psyche liebt Muster so sehr, dass sie alles tut, sie zu entdecken, wo immer es geht. Und manchmal sieht sie sogar Muster, obwohl gar keine da sind.
    Der Streit über den Schlüssel zu dem verschlossenen Arbeitszimmer war Teil eines Musters. Es ist nichts Neues, dass Jo sich selbst für tugendhafter hält als andere Leute. Als Amber sie fragte, was Kirsty denn fehle – ob sie so geboren wurde oder ob es ein Unfall war –, wollte Jo wissen, ob Amber das für eine akzeptable Frage halte. Fragt dich etwa jemand, wie du so geworden bist, wie du bist?, sagte sie. Eine Antwort auf ihre Frage erhielt Amber nicht, Jo erklärte nur, dass nichts an Kirsty verkehrt sei. Sie sei eben einfach anders, und alle liebten sie genau so, wie sie sei. Seitdem achtet Amber sehr darauf, nichts mehr in dieser Richtung anzudeuten, da sie weiß, wie sehr es Jo aufregen würde. Sie hatte ihre Frage so umsichtig wie möglich formuliert, aber Jo hatte die unausgesprochene unsensible Version herausgehört und darauf

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