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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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dachte sie. Würde ich so viel reden, wenn er den Mund aufmachen tät? Zuhören würde ich, wenn er was zu sagen hat.
    »Was macht dein Buch?«, fragte sie alsobald.
    »Das weißt du doch.«
    »Wieso?«
    »Ich hab dir doch lang und breit –«
    »Gar nichts hast du.«
    »Da kann man nichts machen«, sagte er langsam.
    »Wir landen gleich im Straßengraben.«
    »Du bist es nur nicht gewohnt, rechts zu sitzen.«
    »Pass doch auf.«
    Apolloner schwieg.
    »Warum sagst du nichts?«
    »Was soll ich sagen?«
    »Haben wir uns nichts zu sagen?«
    »Judith.«
    »Ich nerve, gelt, ich nerve dich.«
    »Aber geh.«
    »Pick dich nicht so an. Du kannst jetzt eh nicht überholen.«
    »Musst du immer dreinquatschen?«
    »Ich? Was sag ich schon.«
    »Fahr ich dir zu schlecht? Fahr doch du weiter.«
    »Geht schon. Achtung!«
    »Was ist denn. Worauf soll ich –«
    »Lass mich fahren.«
    In Kapfenberg übernahm Judith wieder das Steuer. Roman tat, als ob er schliefe. In Klagenfurt aßen sie zu Mittag. Die Stimmung war nicht besonders, Apolloner überlegte, wie er aus diesem Unternehmen aussteigen könne, Judith dachte sich, wie schaffe ich es, einem Mann nicht auf die Nerven zu gehen. Jedenfalls fuhr sie dann bis Mestre durch und redete für ihre Verhältnisse so gut wie gar nichts mehr. Er schlief immer wieder ein oder rauchte. Schließlich erzählte er ihr, dass er gern die Frau vom alten Fraul interviewen möchte. Es wäre ganz interessant, denn Rosa wäre eine reine Jüdin und unpolitisch. Sie müsste eine ganz andere Art haben, den Holocaust zu verarbeiten, als der Spanienkämpfer und Exkommunist Edmund Fraul, der aber unermüdlich weiter den antifaschistischen Kampf fortsetzte. Er wurde allerdings seit seinem Austritt von den Kommunisten hierorts, aber auch im Osten gemobbt, aus den Komitees geworfen oder mit ständiger Kritik versehen und grad noch geduldet. Denn Fraul war nicht irgendwer, er unterhielt auch gute Kontakte zu österreichischen und deutschen Abgeordneten und Regierungsmitgliedern. So sei er ein widerborstiger Pfropfen im kommunistisch dominierten Antifaschismus, er sei grob und direkt heraus. Als er den polnischen Parteileuten deren antidemokratische Haltung vorwarf, wollten sie ihm zu einer Tagung des internationalen Auschwitzkomitees die Einreise verweigern. Das ging zwar schief, aber ehemalige polnische Genossen schnitten ihn.
    »Er hat«, sagte Apolloner zu Judith, »nie etwas über das Verhältnis der Kommunisten zu Andersdenkenden in Auschwitz gesagt. Da gabs doch Abweichler, Trotzkisten oder Nichtkommunisten, Sozialdemokraten, Katholiken, polnische Nationalisten. Darüber schweigt er.«
    »Für Karl ist der Alte auch ein ziemlicher Brocken«, sagte Judith.
    »Ich würde gern seine Frau interviewen, wenn sie wiederhergestellt ist.«
    In Mestre stellten sie das Auto auf einem Parkplatz gegenüber dem Bahnhof ab und fuhren dann mit dem Zug nach Santa Lucia. Als sie den Bahnhof verlassen hatten und beim Vaporetto standen, nahm Roman Judith in die Arme.
    »Ich bin ziemlich widerlich gewesen«, sagte er. »Ich weiß auch nicht.«
    »Ich nerv eben. Ich nerv alle«, sagte Judith. Sie küssten sich und fuhren zum Hotel San Stefano.
     
    Karel warf den Koffer schwungvoll aufs Bett, packte mich und warf mich daneben.
    »Das haben wir gut gemacht, Asta«, grinste er, legte sich auf mich drauf und begann in meine Augenbrauen zu blasen.
    »Nenn mich nicht Asta«, sagte ich unwirsch und warf ihn mit einer heftigen Hüftbewegung ab, stand auf und öffnete das Fenster einen Spalt weit. Draußen ein Wirbel, ein Getrappel, ein Rufen. Ich drehte mich um und lächelte zu Karel hinunter.
    »Klar haben wir das gut gemacht. Keiner weiß, dass wir in Venedig sind.«
    »Und Felix?«
    »Wähnt mich in Marloffstein. Meine Schwester ist informiert.«
    »Wenn er draufkommt?«
    »Is ja egal. Es ist wegen der Presse, das möcht ich nicht haben.«
    »Sollen es doch alle wissen, Astrid. Alle deine Liebhaber. Durch die Medien solls gehen.«
    »Ach du Angeber … Was tust du? Nicht jetzt!«
    Karel hatte sich aus seinen Hosen geschlängelt.
    »Komm, setz dich«, sagte er und lächelte. Ich schloss das Fenster.
     
    Mittags flogen wir weg, nahmen ein Taxiboot von Marco Polo, der Wind fuhr mir ins Gesicht, ich fühlte mich leicht und erlöst von allen Widrigkeiten; ich habe es aufgegeben, mich wegen meiner Verrücktheit auf Karel selbst anzuklagen. Ich habe das Hotel Marco Polo ausgewählt, wo ich mit neunzehn das erste Mal da war und das erste

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