Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
ganzes Stück weit nach Süden getragen. Zumindest haben wir so einiges an verlorener Zeit aufgeholt.«
Nur zu gerne ließen sie die Ghule hinter sich und marschierten weiter in südliche Richtung, während sich der östliche Horizont zunehmend erhellte.
»Wo hast du das eigentlich gelernt?«, wollte Jorim wissen, nachdem sie eine Weile durch das hohe Gras geschritten waren.
»Was gelernt?«, entgegnete Bronn. »Pilze zu bestimmen?«
Jorim schmunzelte. »Nein! Ich meine, Dolche so gezielt zu schleudern.«
Bronn zuckte mit den Schultern. »Habe ich mir selbst beigebracht.«
»Selbst beigebracht?« Jorim musterte den grauhaarigen Halbling von der Seite. »Ziemlich ungewöhnlich für einen Angehörigen unseres Volkes, findest du nicht?«
Bronn schwieg, doch Jorim sah, wie er die Stirn runzelte und vor sich hinstarrte.
»Nicht wahr?«, drängte er.
»Ich hatte meine Gründe«, brummte Bronn.
Noch einmal betrachtete Jorim ihn, bohrte aber nicht weiter nach.
»Was weißt du über die Suravan-Berge?«, fragte er stattdessen.
»Von Drachen und Gulvaren hatte ich euch ja bereits erzählt«, begann Bronn, und Jorim hatte das Gefühl, er sei erleichtert, nicht mehr über seine Kampfkünste reden zu müssen. »Immer wieder bekriegen sich diese mächtigen Tiere, und angeblich bewahren sie so das Gleichgewicht der Welt. Außerdem soll es dort tödliche Sümpfe geben, Wälder, in denen niemals die Sonne scheint, und Wüsten, in denen der Ewige Sturm tobt.«
»Der Ewige Sturm?«, wunderte sich Jorim.
»Ein Sturm, der nie nachlässt und angeblich immer wieder die Länder hinter den Bergen verwüstet. Und dann«, Bronn hob einen Zeigefinger, »dann leben dort noch die Vanuren. Das zumindest hat mir Eledrim, ein Mensch, den ich einst traf, vor langer Zeit erzählt.«
»Was sind Vanuren?« Jorim blickte zu den Gipfeln der Suravan-Berge, die im Licht der Morgensonne hell erstrahlten und ganz harmlos wirkten.
»Die Vanuren sind Gestaltwandler«, fuhr Bronn fort. »Sie können jede beliebige Gestalt annehmen, und angeblich wurden sie auch schon außerhalb der Suravan-Berge gesehen. Meist bieten sie ihre Hilfe an und geben sich freundlich, aber dann …« Bronn schwieg.
»Aber dann was?«, wollte Jorim wissen.
»Dann locken sie ahnungslose Wanderer in ihr Reich in den Sümpfen.«
Jorim bekam eine Gänsehaut. »Was tun sie dort mit ihnen?« Bronn zuckte mit den Schultern. »Sie töten sie«, erklärte er und blickte Jorim an. »Nur wenige sind ihnen bisher entkommen – sehr wenige.«
Jorim holte tief Luft und atmete laut aus. In was für eine gefährliche Welt war Enna da bloß gezogen?
»Gibt es denn keine Möglichkeit, Vanuren zu erkennen?«, fragte Jorim verzweifelt. »Ich meine, wenn sie ihre Gestalt verändern können, könnte ja jeder, dem man begegnet, ein Vanure sein!«
»Genau so ist es«, bestätigte Bronn, »aber es gibt etwas, woran man sie vielleicht erkennen kann. Wenn Eledrim nicht irgendeinen Unsinn von sich gegeben hat, so fallen sie manchmal dadurch auf, dass sie sich immer wieder jene Stelle kratzen, die sich zuerst in ihre wahre Gestalt zurückverwandeln wird.«
»Immerhin etwas«, murmelte Jorim und strich beim Laufen gedankenverloren mit der Hand über das Gras.
»Ja, immerhin etwas«, pflichtete Bronn ihm bei. »Aber dem Ahnungslosen würde das nie auffallen.«
Enna schrak hoch, als ein Rascheln an ihr Ohr drang. Doch es war nur Yrm, der mit den Füßen Laub, Moos und Zweige über das erloschene Feuer schob.
»Die Sonne geht gleich auf«, sagte er. »Wir sollten aufbrechen, wenn wir heute noch den hohen Pass überqueren wollen.«
Enna nickte, rieb sich die Augen und erhob sich. »Ihr habt nicht zufällig etwas Brot oder so?«, fragte sie. »Ich sterbe vor Hunger!«
Yrm schüttelte den Kopf. »Du hast beinahe den ganzen Fasan gegessen und hast immer noch Hunger?« Er legte den Kopf schräg, betrachtete Enna und kratzte sich die Wange.
»Das war gestern!«, entgegnete sie, legte eine Hand auf ihren Bauch und sah sich um. »Ganz sicher ist doch noch etwas Fasan übrig, oder?«
Yrm nickte. »Ja, aber den habe ich für heute Abend eingepackt.«
»Wachsen hier vielleicht Nüsse oder Früchte, die man essen kann?«
»Ich mag weder Nüsse noch Früchte«, erklärte Yrm, »aber unterwegs finden wir sicher einige Sträucher, an denen so etwas wächst.«
»Na schön, dann nichts wie los!«
Bald hatte Yrm sein Bündel geschultert, die Spuren der Feuerstelle endgültig verwischt, und schon machten
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