Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
erschienen, um ihnen allerlei gute Wünsche zuzurufen. Manch einer überraschte sie mit frisch gebackenem Brot oder einem saftigen Schinken. Rimbor, der freundliche Tavernenwirt, hatte sogar ein Fass seines süffigsten Bieres mitgebracht, doch auch wenn Nespur kurz gezögert hatte, so entschied er am Ende doch, das feine Gebräu in Westendtal zu lassen. »Das Fass wiegt mehr als wir alle zusammen«, sagte er streng.
Als die sieben Gefährten schließlich loszogen, beobachtete Jorim, wie Elvor stolz erhobenen Hauptes voranschritt und den Umstehenden zuwinkte. Nespur indes ignorierte die Halblingsmenge, während Jul sich ein wenig verlegen umsah und meist den Boden zu seinen Füßen genauestens musterte.
»Elvor platzt gleich«, brummte Enna und stieß einen Stein in die Luft, der kurz darauf platschend in den Erenin fiel.
»Schön wär ’s«, gab Jorim zurück.
»Vielleicht sollten wir ihn in irgendeine Schlucht schubsen.« Enna schürzte die Lippen. »Ja, ich denke, das könnte mir gefallen.«
Jorim kratzte sich hinterm Ohr. »Immerhin hat er meinen Vorschlag, Bronn zu suchen, unterstützt.«
»Wahrscheinlich nur, weil er darin eine Gelegenheit gesehen hat, sich selbst hervorzutun.«
Während Jorim und Enna sich über Elvor unterhielten, bemerkten sie gar nicht, wie nach und nach die Rufe der anderen Halblinge verebbten. Mittlerweile war nur noch das sanfte Strömen des Erenin zu hören, der hier friedlich dahinfloss. Vögel trällerten in den Weiden, die das Ufer säumten. Ihre Lieder erfüllten die Luft ebenso wie das geschäftige Summen der Insekten. Hier, in der lieblichen Natur, in die der Frühling mit großen Schritten Einzug hielt, hätten die Halblinge fast vergessen können, weswegen sie die Reise angetreten hatten.
Nespur führte die Gruppe nun an und hielt zielstrebig auf das Gebirge zu, in dem der Erenin entsprang. Dort gab es einen Pass, der hinauf in die Berge und in die dahinter liegenden Vergessenen Täler führte, die sie durchqueren mussten, um Westendtal zu verlassen.
Jul lief schweigend hinter Nespur her. Sein Blick suchte dabei stets den Boden ab, und hier und da bückte er sich, um rasch irgendwelche Pflanzen abzuzupfen, die in einem seiner unzähligen Beutel am Gürtel verschwanden.
Jorim legte den Kopf in den Nacken und blickte in den blauen Himmel.
»Suchst du etwas Bestimmtes?«, fragte Elvor. Er beschirmte mit der flachen Hand seine Augen und spähte nach oben. »Habt ihr euch schon mal gefragt, wie wir wohl aus der Perspektive eines Vogels aussehen? Ein Vogel würde sieben tapfere Recken sehen, allen voran Elvor Sternenfaust«, er breitete die Arme aus, dann legte er in einer übertriebenen Geste die Hand auf die Brust, »der Nachfahre des berühmten Bronn Sternenfaust, der auszieht, um die Länder des Südens und Nordens vor Ghulen und Erinyen zu retten und dabei die Dame seines Herzens erobert.« Er legte einen Arm um Enna und warf ihr ein strahlendes Lächeln zu.
Enna beäugte Elvors kräftige Hand mit wenig Begeisterung, dann schob sie sie entschlossen von ihrer Schulter. »Im Augenblick sehe ich nur Nespur, der allen voranschreitet, und einen eingebildeten Halbling, der eher durch Angeberei als durch Taten glänzt.«
»Gut gesprochen, Schwesterherz!«, freute sich Jorim.
»Wartet es nur ab«, entgegnete Elvor und wirkte keineswegs beleidigt, »bald werdet ihr das mutige Herz eines Sternenfaust erkennen, und«, er verbeugte sich in Ennas Richtung, »du wirst dahinschmelzen vor lauter Sehnsucht, werte Enna.«
»Wer weiß«, erwiderte sie trocken, »vielleicht schmilzt du ja vorher im Drachenfeuer dahin.«
»Wisst ihr, wie ich das sehe?«, fragte Jorim und blickte erneut hinauf in den Himmel. »Die Sache mit der Vogelperspektive, meine ich. Ich sehe sieben Halbhohe: Sie wandern durch die Vergessenen Täler, wobei einer wie ein bunter Geck stolziert, und am anderen Ende warten eine Armee aus zwanzigtausend Erinyen und vielleicht noch mal so viele Ghule.«
Enna sah ihn nachdenklich an, und auch über Elvors Gesicht huschte ein kurzer Schatten, der aber nicht lange währte. Rasch hatte er wieder sein überhebliches Grinsen aufgesetzt.
Nespur ließ die Gruppe noch ein Stück des Weges zurücklegen, eher er ihr gestattete, das Nachtlager aufzuschlagen.
Auf ein Feuer verzichteten sie, obwohl die wärmenden Flammen ihnen sicher gutgetan hätten, denn so nahe an den Wassern des Erenin war die Luft feucht und kühl. Hoch oben blinkten einige Sterne, und der Vollmond spendete
Weitere Kostenlose Bücher