Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
verlieh ihrer Stimme einen bewusst kühlen und schneidenden Ton. »Wenn ich von unseren Feinden spreche, so meine ich all jene, die keine Erinyen sind«, sie schritt auf ihn zu, und ihr Umhang bauschte sich auf in der Brise dieses kühlen Morgens, »aber auch solche unter uns, die sich meiner Herrschaft und meinen Entscheidungen nicht unterwerfen.«
Einen Moment lang verengten sich Yoraks Augen, bevor seine Miene wieder ausdruckslos wurde. »So soll es sein«, sagte er, doch dieses Mal vergaß er nicht, sich angemessen zu verbeugen.
Ein Faustschlag mitten ins Gesicht hätte die fünf Gefährten nicht härter treffen können als Elgos Worte. Eine alles erdrückende Stille legte sich über die Gruppe. Selbst Nespur, der in seinem Leben schon so manches erlebt hatte, brachte keinen Ton heraus. Elvor starrte Elgo mit aufgerissenen Augen an.
Es war Enna, die die Stille als Erste brach. »Tot?«, wiederholte sie das schreckliche Wort, das eine so folgenschwere Bedeutung für sie alle hatte.
Elgo nickte. »Bronn gibt es nicht mehr.«
»Sag, dass das nicht wahr ist! Bitte sag, dass du dich irrst«, flehte Enna.
»Ich irre mich nicht!«
»Bronn Sternenfaust – tot!« Jorim schüttelte den Kopf. »Weißt du eigentlich, was du da sagst?«
Elgo zuckte nur mit den Schultern.
»Unsere Heimat, Westendtal«, Jorim deutete nach Norden, »wird bald von Erinyen und diesen widerwärtigen Ghulen überrannt. Bronn Sternenfaust war der einzige Grund, aus dem wir unsere Heimat verlassen haben! Und du erzählst uns, er sei tot?« Wut bahnte sich ihren Weg durch die Enttäuschung, die Jorim soeben noch empfunden hatte.
Elgo senkte betreten den Kopf. »So ist es«, bestätigte er leise. »Ihr müsst Westendtal ohne ihn verteidigen.«
Nun reichte es Jorim. Er sprang auf und stürzte sich auf Elgo. »Weißt du, was das für uns bedeutet?« Er packte den anderen Halbling am Kragen und schüttelte ihn. »Alles war umsonst! Der ganze verdammte Weg hierher war umsonst! Bronn war unsere einzige Hoffnung, irgendetwas gegen diese dreckige Brut unternehmen zu können!«
»Jorim!«, schrie Nespur. Der Fährtenleser zerrte ihn zurück. »Jorim, komm zur Vernunft.«
»Vernunft?« Jorim stieß verächtlich die Luft aus. »Was ist hier schon noch vernünftig?« Seine Schultern sackten herunter, und er sank zu Boden. Er fühlte sich leer, ausgebrannt. Dann sah er zu Enna hinüber. Tränen waren ihr in die Augen gestiegen. Jul saß wie ein Häufchen Elend neben ihr und schaute ins Leere.
»Bist du dir auch ganz sicher?«, wollte Nespur an Elgo gewandt wissen. »Oder entspringt dies nur deinem vernebelten Geist?« Sogar die Stimme des alten Fährtenlesers bebte leicht.
Noch einmal hob Jorim den Kopf, ein letzter Hoffnungsfunke glomm in ihm auf. Doch der Funke erstarb, denn Elgo schüttelte den Kopf.
Nespur seufzte schwer, auch er wirkte ratlos.
»Bronn Sternenfaust, sein Name im Sturmeswind er braust.« Alle blickten zu Elvor, dessen Stimme vor Hohn nur so troff. »Dass ich nicht lache!« Er machte eine wegwerfende Handbewegung und starrte in die Dunkelheit. Niemand erwiderte ein Wort.
»Ich wohne hier in der Nähe«, begann Elgo und räusperte sich. »Am besten, ihr kommt mit zu mir, und ich erzähle euch alles.«
»Ein guter Vorschlag«, entgegnete Nespur. Die anderen sagten nichts. Dennoch standen sie langsam auf und folgten Elgo schweigend und mit hängenden Köpfen. Diese Nachricht schien ihnen allen die Kraft genommen zu haben, und sie sehnten sich nur noch nach einem sicheren Ort zum Schlafen.
Es war bereits Mitternacht, als Elgo an einem bewaldeten Hügel, unweit einer Lichtung, stehen blieb.
»Mein Zuhause«, sagte er.
»Wo denn?«, fragte Elvor und sah sich in alle Richtungen um.
Elgos faltiges, vom Alkohol leicht gerötetes Gesicht überzog ein triumphierendes Grinsen.
»Es freut mich, dass ihr es nicht findet.«
»Dann lasst mich mal nachsehen.« Nun trat Nespur nach vorne, suchte den Boden nach Spuren ab und schien tatsächlich fündig zu werden. Auf allen vieren kroch er voran zu einer Felsplatte, überquerte diese, und am anderen Ende fischte er schließlich im Gras herum. Er fand ein Stück Leder, welches offenbar einen Griff markierte – denn plötzlich hievte er eine Art Deckel in die Höhe.
»Erstaunlich für einen Einäugigen«, sagte Elgo verblüfft, dann deutete er auf den Eingang. »So tretet ein, und es soll euch an nichts fehlen.« Schnell wie ein Wiesel verschwand er in der Luke, und die Gefährten folgten
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