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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Schankmagd, die immer noch halb damit rechnete, dass die gute Dame diesen armen Schlucker wegschicken würde, erkannte überrascht, dass er weder fortgeschickt wurde noch eine ablehnende Antwort erhielt. Im Gegenteil, die beiden lachten miteinander. Dann gingen sie nebeneinander zur Tür hinaus auf den Straßburger Marktplatz beim Münster. Sie plauderten, als wären sie alte Freunde. Die Zofe und der Bedienstete warfen sich vielsagende Blicke zu. Dann folgten sie in einigem Abstand. Der Mann am Kamin legte ein Geldstück auf den Tisch und verließ die Schankstube des «Raben» ebenfalls.
Martin Waldseemüller hatte noch nie mit einer so hochstehenden Persönlichkeit wie Contessina de‘ Medici zu tun gehabt. Trotzdem gab sie ihm auch dieses Mal keinen Moment das Gefühl, unter ihr zu stehen. Sie behandelte ihn wie ihresgleichen, ungezwungen, freundlich. Sie plauderten eine Weile über das Wetter (es war ein wunderschöner Herbsttag), über die Straßburger (Contessina fand sie reizend) und über diese neue, faszinierende Kunst des Buchdrucks. Er bemerkte die Begeisterung in ihren Augen, als sie ihm erzählte, wie gerne sie las, wie glücklich sie war, nun all das nachlesen zu können, was sie schon immer interessiert hatte.
Da konnte Waldseemüller nicht mehr anders. Er sprach wie nebenbei, gab sich den Anschein, als habe erst sie ihn überhaupt auf diesen Gedanken gebracht. «Habt Ihr schon Mundus Novus gelesen? Ja natürlich! Welch dumme Frage! Amerigo Vespucci» – er hielt gerade noch rechtzeitig inne, erinnerte sich, dass er offiziell nicht wissen durfte, wer sie war. «Die Seefahrten von Amerigo Vespucci kennt ja inzwischen jedes Kind.»
Contessina de‘ Medici begriff sehr wohl, dass Martin Waldseemüller sich beinahe versprochen hätte. Sie lächelte ihm zu, tat, als habe sie es nicht bemerkt. «Ja, natürlich, wer kennt diese bemerkenswerten Schilderungen eines fremden Paradieses nicht!» Sie machte eine kleine Pause. Das sollte die folgenden Worte umso wirkungsvoller machen. «Habt Ihr eigentlich schon einmal etwas von einem Matthias Ringmann gehört?»
Sofort wurde er wachsam, er verstand selbst nicht so recht, warum. «Wieso fragt Ihr?»
«Hat er nicht vor einiger Zeit Mundus Novus unter dem Titel De ora Antarctica herausgebracht? Ich meine mich jedenfalls zu erinnern, denn er hatte 22 köstliche Verse vorangestellt. Ich habe mir sagen lassen, dass er auch als Lektor bei Grüninger, Eurem Gastgeber, arbeitet. Ihr habt ihn also sicher einmal getroffen. Es hätte mich gefreut, diesen begabten Dichter einmal kennenzulernen, und ich hatte gehofft, Ihr könntet mir diesen Kontakt vermitteln. Er soll ja noch recht jung sein. Ein vielversprechender Geist.»
Martin Waldseemüller war jetzt vollends hellhörig geworden. Sollte sie aus Florenz etwas von Philesius gehört haben? Hatte dieser vielleicht seine Bitte vorbringen können? Wollte sie ihm möglicherweise andeuten, dass die Medici ihm helfen würden? Beinahe hätte diese Hoffnung ihn mit der brennenden Frage herausplatzen lassen, die ihn beschäftigte: mit der Bitte um die Einsicht in die Original-Briefe und Reisebeschreibungen Vespuccis. Doch da war diese warnende innere Stimme. Trotzdem, er musste es einfach wissen. Er suchte nach den richtigen Worten. «Ich bin untröstlich. Ich kenne Philesius in der Tat. Er ist sogar ein guter Freund. Wir haben übrigens zusammen immer wieder von den Möglichkeiten geschwärmt, die diese unbekannten neuen Paradiese einem Mann mit etwas Vermögen und Mut bieten könnten. Wie gerne würde ich sie sehen. Wenn ich doch nur einmal mit Amerigo Vespucci selbst sprechen oder wenigstens die Originale seiner Briefe an die Medici lesen könnte! Sicher gibt es noch weitere Beschreibungen seiner Reisen über den Atlantik. Doch die Mitglieder dieser mächtigen Familie werden wohl ebenso wenig mit mir reden wie ein berühmter Mann wie Vespucci.»
Seine Pläne, eine neue Karte der Welt zu zeichnen, erwähnte er nicht.
Contessina musste sich ein Lachen verkneifen. Deutlicher konnte er ihr kaum zu verstehen geben, dass er wusste, wer sie war. Nun, das war ja auch so gewollt. Sie begriff, dass er seinen Enthusiasmus nur mühsam zügeln konnte. Das rührte sie. Entgegen ihrem Auftrag beschloss sie, ihn zu warnen. Dieser Mann, das hatte sie inzwischen verstanden, war zu ehrlich und zu geradlinig, um sich zu verkaufen. Wenn er eine Karte mit einem neuen Kontinent darauf schaffen wollte, dann würde er es tun. Er tat es um des Wissens

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