Der Katalysator
darin, daß man sich Fragen anhörte, die mit trockener, monotoner Stimme von einem Tonband kamen, das die Bundesbehörde für Einwohnerstatistik vierundzwanzig Stunden am Tag abspielte, und daß man diese Fragen auf einen Piepton hin beantwortete. Name des Bräutigams? Piep. „Paul Henry Blandford.“ Seine Versicherungsnummer? Piep. Geburtsdatum? Piep. Geburtsort? Piep. Mädchenname der Braut? Piep … (Seit einigen Jahren wurde auch eine Stimmenidentifikation verlangt – irgendwann hatte ein Witzbold dem Bürgermeister den Ausweis geklaut und ihn per Computer mit der Riesendame vom Zirkus Ringling Brothers verheiratet).
Wollt ihr miteinander vor dem Gesetz die Ehe eingehen? Piep. Soll diese Ehe rückwirkend in Kraft treten? Piep. „Ja.“ (Er überlegte kurz. Das Datum der Anhörung, der Tag danach – Samstag.) Er nannte das Datum: „-ter September 2006.“
Schieben Sie ihre Ausweiskarten in die dafür vorgesehenen Schlitze an der Seite des Sprechgerätes. Es dauert zehn Sekunden, die Gültigkeit Ihrer mündlichen Angaben und Ihrer Ausweise zu überprüfen. Überprüfung abgeschlossen. Ihre Heiratsregisternummer ist NY 2006 – 17834. Diese Nummer ist jetzt auf Ihren Ausweisen unter der Rubrik ‚Stand’ eingeprägt und wird in Zukunft auf Ihrem Gehaltsstreifen und auf Ihren Versicherungsnachweisen ausgedruckt. Die Zeit: Es ist einundzwanzig Uhr fünf. Die Temperatur in der Stadtmitte beträgt sieben Grad Celsius. Windgeschwindigkeit: acht Kilometer pro Stunde aus Nordwest. Niederschlagswahrscheinlichkeit für heute nacht: zehn Prozent …
Paul legte das Sprechgerät auf die Gabel. Ihre modifizierten Ausweiskarten schauten sie nicht einmal an.
Im Halbdunkel ging Mary ins Bad und zog sich um. Nach einer Weile kam sie zurück. Sie trug einen Hausmantel aus weißem, sanft schillerndem Satin, der um die Taille durch einen Magnetgürtel gehalten wurde. Ihre Brustwarzen drückten sich suchend durch den Stoff, als hielten sie Ausschau nach den Händen, die sie gleich berühren würden.
Sie blieb vor ihm stehen und sah ihn an. Dann öffnete sie den Magnetverschluß und ließ das Gewand erst von der einen und dann von der anderen Schulter gleiten, so daß es zu fallen begann. Es fiel langsam und kräuselte sich dabei durch die Reibung und die darunter eingeschlossene Luft. An ihren Hüften blieb es einen Moment lang hängen; sie mußte es mit den Handflächen weiterschieben, und dann schwebte es in kreisrunden Falten rings um ihre Füße zu Boden. Paul sah ihr dabei zu, und er hatte den Eindruck, daß das Gewand eigentlich gar nicht fiel, sondern daß sie daraus hervorstieg wie Venus aus dem Meer. Nur einen Augenblick lang fesselte ihn diese Illusion, denn sogleich waren seine Blicke gebannt von ihrem Körper. Etwas so Schönes hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Das tödliche Virus hatte sie nicht angerührt. Ihr Geburtsfleck war im Dämmerlicht kaum zu sehen.
Später, als sie nebeneinander in ihrem schmalen Bett lagen, kamen ihm Verse aus dem Hohelied Salomos in den Sinn: Wie sind deine Schritte so schön in den Sandalen, du Fürstentochter! Der Bug deiner Hüften gleicht einem Geschmeide … dein Leib ist ein Weizenhaufen, von Lilien umhegt. Ihr Haar, sonst meist glatt, umgab jetzt in feuchten Löckchen ihr Gesicht. Alles an dir ist schön, Geliebte, und kein Makel haftet dir an.
(Haben wir eigentlich zu Abend gegessen? Ich kann mich nicht erinnern. Ob sie wohl Hunger hat? Vielleicht sollte ich Tom White Tower ein paar Hamburger heraufschicken lassen.) Aber noch während er darüber nachdachte, begann seine freie Hand langsam über ihre Hüfte und ihre Brust zu streicheln. Sie streckte beide
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