Der Katalysator
sollte.
Viturate fuhr mit seiner Tirade fort. „Das Küßchen hat eine lange Geschichte hinter sich. Als er noch jünger war, hatte er pausenlos Probleme mit der Poststelle des Labors. Sein Rohrpostfach war umgeben von den Postfächern der Patentabteilung. Zu Anfang bekam er immer die wöchentlichen Berichte vom West-Verlag. Alphabetisch war die erste Rubrik auf den Ausdrucken Anwälte, aber häufig gab es unter Anwälte keinen Eintrag. Die nächste Rubrik war Schlüssel einundzwanzig: Bastarde . Kussman schien jeden West-Ausdruck zu bekommen, der mit Bastarde anfing. Er wußte, daß sie es auf ihn abgesehen hatten. Er hat sogar einen Brief an West geschrieben und mit einer Beleidigungsklage gedroht, wenn sie nicht aufhörten, ihm die Dinger zuzuschicken. Ich habe eine Kopie von diesem Brief und von ihrer Antwort.“
Paul war fasziniert. „Was haben sie denn geantwortet?“
„Sie schlugen ihm vor, entweder seinen Namen zu ändern oder ein anderes Postfach zu beantragen. Das sah er ein und ließ sich von der Poststelle ein neues Fach geben, neben dem der Sandusky-Abteilung.“
„Und?“
„Sandusky, Abteilung Utah. Aber keine benutzte je den vollen Namen, sondern immer nur die Anfangsbuchstaben.“
„Oh. Also ließ er sich wieder ein neues Postfach geben?“
„Ja, zum dritten und letzten Mal. Neben mir – A.F.F.E. – Abteilung Faserstoffe, Forschung und Entwicklung. Dafür macht er mich immer noch persönlich verantwortlich.“ Er trank seinen Kaffee aus. „Und jetzt, Freunde, muß ich los. Wir haben für heute abend ein kritisches Pyropolymerfaser-Programm in der Pilotanlage angesetzt.“ Er verschwand in der Küche.
Marggold warf Paul einen verschmitzten Blick zu. „Sie wollten fragen, wieviel Wahres an dieser Geschichte ist?“
„Nun – ja …“
„Fragen Sie nicht. Gehen wir lieber zurück zu den anderen Neurotikern.“
Kurz vor elf ging Paul mit Mary Derringer nach hinten in Seranes Schlafzimmer, um ein Buch über Lincoln zu suchen. Was er sah, überraschte ihn nicht.
Als er sich behutsam neben den Klimasteuerungsknöpfen auf die Kante des schattigen Kraftfeldbettes setzte, erklang von irgendwoher das „Wiegenlied“ von Brahms. Über ihm in der Luminex-Decke begannen hypnotische Farbmuster zu leuchten. Er unterdrückte ein Gähnen.
Mary wanderte im Zimmer umher. An der gegenüberliegenden Wand blieb sie stehen und betrachtete das Holo-Porträt eines wenige Monate alten Babys. Es lächelte sie an und gurgelte, während sie ihren Kopf hin und her bewegte, um den 3 D-Effekt auszukosten. Paul sah, wie sie eine Hand auf ihren Bauch legte. Sie will ein Kind, dachte er. Und dann begann ein neuer Gedanke an ihm zu nagen. Oder – ist sie ein Klon? Betastet ihren Geburtsfleck? Und wenn es so ist, macht es dir etwas aus?
Marys Blicke wanderten zu einem Gruppenholo: Serane, seine Frau Alessa, zwei Kinder und zwei ältere Leute, vielleicht die Großeltern. Sanft berührte das Mädchen den Rahmen. Paul erahnte die Andeutung einer abgrundtiefen Leere in ihrem Leben, vielleicht die Folge einer niemals überwundenen Kindheitskatastrophe. Sie will außerdem (dachte er) eine Familie um sich haben, sie will Stammeszugehörigkeit empfinden. Deswegen hat sie sich für Serane entschieden. Serane und seine Gruppe haben sie schützend umhüllt. Und jetzt steht das alles auf dem Spiel. Er spürte ihre Verwundbarkeit. Ein Klon würde vielleicht so reagieren …
Sie setzte sich zu ihm auf die Bettkante, und sie vergaßen das Buch.
Paul merkte plötzlich, daß er über Billy redete. Er wollte, daß sie verstand, was er für seinen Bruder empfand. „Billys großer Walnuß-Schreibtisch stand in einer Ecke bei den
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