Der Katalysator
seufzte und nahm einen Schluck Wasser. Und jetzt war der Augenblick gekommen. Er gab ihnen noch eine letzte Sekunde, und dann erhob er sich. Aus dem Augenwinkel sah er, daß Humbert Papier und Bleistift neben seinem Teller liegen hatte.
Paul begann mit einem Löffel an sein Glas zu klopfen. Der Tumult erstarb – langsam erst und dann ganz plötzlich, und unvermittelt herrschte ein abruptes, beunruhigendes Schweigen.
Er begann: „Wie Sie alle wissen, wird der Eingang zu unserem Laboratorium von einer bronzenen Tafel geziert. Die Buchstaben, die ziemlich locker auf diese Tafel geschraubt sind, bilden die Worte »Laboratorium Ashkettles’.“
Er hielt einen Augenblick inne. „Manchmal habe ich eine Vision. Irgendwann wird die Unternehmensleitung eine neue Tafel anfertigen lassen. Ich schlage heute vor, daß diese Tafel dann den Namen Johnstone Sinclair Serane Laboratorium 4 tragen soll.“
Er schaute zu Humbert hinüber. Humberts Bleistift schwebte unentschlossen über dem Papier. „S-I-N-C-L-A-I-R“, buchstabierte Paul.
Ein allgemeines Gelächter erhob sich. Der Personalleiter errötete, blickte wütend in die Runde und steckte seinen Bleistift weg.
„Wer aber“, fuhr Paul fort, „ist dieser Mann, nach dem wir unser Laboratorium benennen würden? Johnstone Sinclair Serane kam im Jahre 1996 als Forschungsassistent nach Ashkettles. Sehr rasch erkannte man seine praktische Kreativität, und ’98 beförderte man ihn zum leitenden Chemiker. Dr. Bush stand vor der Pensionierung, und John wurde gebeten, die Stickstoffgruppe zu übernehmen. In den Augen der meisten von uns konnte man eine bessere Wahl nicht treffen. Warum nicht? Dafür gibt es wohl drei Gründe.
Erstens: Er brachte uns zum Nachdenken. Niemand denkt gern nach. Wir alle hätten es lieber, wenn man uns sagte, wie es um einen Sachverhalt bestellt ist. Aber diese Möglichkeit hat John uns genommen, denn er führte uns auf Gebiete, wo niemand wußte, wie die Situation war. Wir mußten nachdenken, um zu überleben.
Und wenn wir erst angefangen haben nachzudenken, wird es nach und nach immer weniger schmerzhaft. Schließlich entwickeln wir sogar eine bescheidene Geschicklichkeit darin. Und eines Morgens wachen wir auf und stellen fest, daß wir sogar denken können, ohne Johns rotglühende Nadeln im Hintern zu spüren.
Zweitens: Er hat uns gezeigt, wie man Erfindungen macht. Es ist ein Vergnügen, ihm dabei zuzusehen, wenn er sich mit seinem Forschungsteam zusammensetzt. Die Erfindungen strömen nur so zutage! Und eine Erfindung führt unverzüglich zur nächsten. Er sagt: ‚Wenn das hier funktioniert, dann müßte dies und jenes auch funktionieren.’ Und schon sind sie mittendrin. Es ist wie ein Feuerwerk am vierten Juli. Man sieht immer neue, leuchtende Explosionen. Zwei, ja drei Generationen von Ideen werden innerhalb einer Stunde geboren. Kreativ? Johnnie war der beste Freund der Patentabteilung. Wir haben niemals wirklich mit ihm Schritt halten können. In den zehn Jahren, in denen er im Laboratorium als Erfinder tätig war, hat die Patentabteilung mehr als zweihundert Patentanträge gestellt, die ihn als Erfinder benannten. Das sind mehr als zwanzig pro Jahr. Und dennoch: Wenn man in der Chemischen Monatsschrift nachschlägt, ist er bei den meisten nicht namentlich aufgeführt. Warum nicht? Weil er bescheiden ist. Die Erfindungen werden mit Namen wie ‚Slav et al.’, ‚Mukerjee et al.’ oder ‚Hahnbuch et al., verzeichnet. Wer ist das: ‚al’? Es ist natürlich Johnnie.
Er hat uns stets verboten, seinen Namen an die erste Stelle zu setzen. Hin und wieder ist er natürlich alleiniger Urheber, und dann muß die Erfindung nach
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