Der Katalysator
Kieselsäure – SiO 2 .“
„Der Patentantrag spricht von poröser Kieselsäure biologischen Ursprungs. Was ist mit der Asche? Was ist an der Asche Besonderes?“
„Hören Sie schon auf“, sagte Oldham schroff. „Falls Dr. Kussman jemals Aussagen hierzu machen muß, haben Sie reichlich Gelegenheit, ihn über diese kleinen Details in Kenntnis zu setzen.“
Aber Kussman schnitt ihm das Wort ab. Er hob in einer resignierten Märtyrergeste die Hand. „Alec, ich muß sagen, ich bin hergekommen mit einer – wie ich glaubte – einfachen Bitte.“ Er erhob sich von seinem Stuhl. „Alles, was ich wollte, war ein wenig Flexibilität, ein wenig Zusammenarbeit. Und was bekomme ich? Ein Verhör dritten Grades. Ich glaube, ich sollte die Zeit der Patentabteilung nicht länger verschwenden.“ Er lächelte sogar, als er hinausging – brüsk und offenbar ohne sich dafür zu interessieren, ob Oldham und Schirmer ihm folgten oder nicht.
Als sie gegangen waren, tat Marggold einen tiefen Seufzer der Erleichterung.
Paul lächelte.
19
Die Überschneidung
„Paul? Evelyn. Da kommt etwas für Sie über den Telekopierer vom Patentamt herein. Haben Sie Zeit?“
„Bin schon da.“ Er warf den Hörer auf die Gabel und eilte zur Tür. Er wußte, daß es der Trialinfall war. Seit knapp einem Monat beim Patentamt registriert. Das konnte nur eines bedeuten: Eine Überschneidung. Jemand anders hatte einen ähnlichen Patentantrag über die gleiche Erfindung gestellt. Wer war der Erste? Das war jetzt die große Frage. Sollte etwa alles umsonst gewesen sein?
Einen Augenblick später war er bei Evelyn in der Kopiererkabine.
AN PAUL BLANDFORD, RECHTSANWALT. ANTRAG VOM 22. MAI 2006, JOHNSTONE S. SERANE, TRIALINSYNTHESE. IHR ANSPRUCH SCHEINT SICH ZU ÜBERSCHNEIDEN MIT ANSPRUCH WILHELM K. SCHEIDE, HERSTELLUNG VON TRIALIN BEI ATMOSPHÄRISCHEM DRUCK, EINGEREICHT NAMENS DEUTSCHE CHEMISCHE GESELLSCHAFT, 20. MAI 2006, MIT VORRANG NACH INTERNATIONALEM PATENTRECHTSABKOMMEN. WENN SIE DAS ÜBERSCHNEIDUNGSVERFAHREN NICHT AKZEPTIEREN, WIRD SCHEIDE-ANTRAG GEGENÜBER IHREM ANTRAG ALS VORRANGIG BEHANDELT. AKZEPTIEREN SIE DIESES ÜBERSCHNEIDUNGSVERFAHREN?
Paul nickte Evelyn zu.
Sie schrieb:
ÜBERSCHNEIDUNGSVERFAHREN AKZEPTIERT. BITTE ERÖFFNEN. ÜBERSCHNEIDUNGSVERFAHREN NR. – – HIERMIT ERÖFFNET. TEXT SCHEIDE-ANTRAG FOLGT.
Die Maschine spie die Seiten aus – ssat … ssat … – ssat … eine pro Sekunde. Zu schnell, als daß er hätte mitlesen können. Evelyn legte sie sorgfältig zusammen.
Das einzige, woran er denken konnte, war das Vorrangdatum des Gegners: der 20. Mai 2006. Er erinnerte sich gut an diesen Tag. Es war der leere Samstag, der auf Seranes Abschiedsdinner gefolgt war. Er hatte ihn verschlafen. Und dann, in dieser sonderbaren Nacht zum Sonntag, hatte er den letzten Eintrag in Billys Tagebuch verfaßt. Und in irgendeinem fernen Labor jenseits des Ozeans, in Hamburg, hatte ein Team von deutschen Wissenschaftlern vermutlich eine parallele Serie von Experimenten durchgeführt, und sie hatten ihren Patentantrag in München eingereicht und dabei wohl kaum damit gerechnet, daß die gleiche Erfindung sehr bald danach von einem amerikanischen Genie konzipiert und durch einen diesen Wissenschaftler abgöttisch verehrenden Patentanwalt in die Praxis umgesetzt werden würde und daß dieser sie alsbald schriftlich zusammenfassen und beim Patentamt der Vereinigten Staaten einreichen würde. Ja, er erinnerte sich. In jener Woche hatten die Drosseln in Connecticut ihren metallischen Rundgesang begonnen. Er hatte seinen Antrag voller Trauer, aber deshalb nicht weniger rasch eingereicht. Dennoch
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