Der Katalysator
zuhöre. Es ist leicht, ihn zu mögen. Ich glaube, daß es euch leichtgefallen ist, mit ihm zu arbeiten, zusätzliche Leistungen zu erbringen, meine ich, wie du es getan hast. Ein äußerst inspirierender Mann. Und seine Freunde würden so etwas für ihn tun. Aber das werden unsere drei Freunde im Ausschuß nicht verstehen können, denn sie kennen nur das kalte Protokoll. Ein Gefühl davon, wie er Leute dazu inspirierte, solche Dinge zu tun, wird sich ihnen nicht vermitteln. Also werden sie dir nicht glauben. Oh, sie werden selbstverständlich nicht sagen, daß sie dir nicht glauben. Sie werden ihre Entscheidung anders begründen, etwa mit der inadäquaten Identifikation der Reagenzien oder der Produkte oder damit, daß du versäumt hast, alle fünf Minuten die Temperatur abzulesen – oder mit irgendeinem anderen Grund. Aber der wirkliche Grund wird sein, daß sie dich für einen phantastischen Lügner halten. Schade.“
„Tja“, sagte Paul.
Kern redete nachdenklich weiter. „Die ganze Sache ist …“ – er suchte nach einem passenden Ausdruck – „… gotisch … mittelalterlich. Sie gehört tief in die Vergangenheit, zu Mönchen, Heiligen, wundertätigen Reliquien und Bußwallfahrten. Paul, du kommst um tausend Jahre zu spät. Wenn du dies im Jahre 1006 getan hättest, hätten sie dich heiliggesprochen, oder sie hätten dich auf dem Scheiterhaufen verbrannt – oder beides. Aber du mußt begreifen: Dies ist das einundzwanzigste Jahrhundert, das Zeitalter der totalen Aufklärung. Das Zeitalter der computerverstärkten Intelligenz. Es war nicht notwendig, zu tun, was du getan hast … Es paßt nicht in die Zeit, und du bekommst dafür keine Zusatzpunkte. Dies ist das rationale Jahrhundert. Keine Geister. Keine Wunder. Keine übernatürlichen Erscheinungen.“
„Mit freundlicher Empfehlung von International Computers“, meinte Paul versonnen.
„Genau“, sagte Kern.
Nach dem Mittagessen ging Paul hinauf in die wissenschaftliche Bibliothek des Patentamtes, um einige alte britische Patente nachzulesen. Durch die Fenster des Bibliotheksraumes sah man die Straße, die Crystal Plaza Apartments und den Swimmingpool des Crystal Plaza. Es war niemand im Wasser, aber ein paar Leute – hauptsächlich Frauen – lagen auf Strandliegen rund um den Pool und sonnten sich. Eine dieser Gestalten zog seine Aufmerksamkeit auf sich.
Es war Sheila. Sie lag auf ihrem straffen Bauch, und das Oberteil ihres Bikinis war offen. Sie las in irgendeiner Akte. Welche Patentakte konnte denn das Interesse dieses seltsamen Wesens, dieser diabolischen Mischung von Hirn und Fleisch, erregt haben? Aber natürlich! Das Überschneidungsverfahren Serane gegen Scheide! Er sah jetzt, daß sie einen Visor vor die Augen geklappt hatte, den er als Holobetrachter erkannte. Sie schien auf das Holoprint in der Akte zu starren. Er konnte nicht erkennen, was es war. Uriahs leeres Kiloglas?
Sheila hob den Kopf. Irgend etwas war dort unten passiert. Sie nahm den Holobetrachter ab, ihre Hände streiften mit einer geschickten Tastbewegung über ihren Rücken, schlossen das Bikini-Oberteil, und sie rollte herum. Jemand hatte sie gerufen. Sie setzte sich auf und lächelte. Um Gottes willen, es war David King. Paul starrte mit weit aufgerissenen Augen hinunter, während King Sheila aufhalf und ihre Sachen für sie zum Pooleingang des Crystal Plaza Apartments trug. Sie verschwanden im Haus. Paul stieß einen leisen Pfiff aus. Sein Kiefer klappte herunter, während er sich in wilden Schlußfolgerungen erging.
So lagen die Dinge also.
Er stellte den Band mit den britischen Patenten ins Regal zurück und machte sich auf den Rückweg zum
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