Der Katalysator
durch die offene Tür hineindrängten. Keuchend standen sie da und schauten sich unsicher um. Das Haus war offensichtlich auf alten Steinfundamenten wiederaufgebaut worden. Der Mörtel in den Grundmauern und im zentralen Kamin war verwittert, alt und rußig wie von einem längst vergessenen Feuer. Aber Holzwerk und Wände waren neu.
Einen Fußboden gab es nicht. Die Erde war von einem Fleckenteppich aus Weidenblättern und Moos bedeckt. Durch die Fenster waren ein paar Trauerweiden zu sehen. An der Geschichte dieses Hauses konnte es jetzt kaum einen Zweifel geben. Ursprünglich mußte es ein Schleusenhaus gewesen sein, der Wohnsitz des Schleusenwärters und seiner Familie. Aber vor langer Zeit war das Gebäude abgebrannt, und nur der Kamin (der jetzt durch die Mitte des Daches ragte) und die steinernen Grundmauern waren stehengeblieben. Und dann hatten die Weiden die Ruine in Besitz genommen. Ihre Äste waren über die verfallenen Blätter auf die Asche herabgefallen, die einmal der Fußboden des Hauses gewesen war, bis der gesamte Innenraum unter einer schwammigen Masse verschwunden war, die den Boden wie ein dicker Teppich bedeckte, tief und üppig. Aber das war nicht das Ende des Fußbodens gewesen. Im Laufe der Jahre hatten sich in den schattigeren Winkeln der Ruine Moosflecken ausgebreitet, und jetzt, da das Haus mit einem Dach versehen worden war, das den ganzen Innenraum verdunkelte, brauchte das Moos nicht mehr zu befürchten, unter den in jedem Herbst herabfallenden Weidenblättern zu ersticken, und so hatte es jetzt, im September 2006, bereits mehr als die Hälfte des Laubteppichs besiegt. Ein Besucher mit Geschmack konnte so zwischen zwei Teppichfarben wählen; er konnte sich aussuchen, ob er sich auf einer grünen, einer braunen oder einer buntscheckigen Unterlage niederlassen wollte.
Sie standen im Eingang und schauten hinaus in den Regen.
„Dieses Haus muß eine Menge Geschichte miterlebt haben“, meinte Paul. „George Washington begann den Bau des Chesapeake- und Ohio-Kanals. Wer weiß, vielleicht hat er hier übernachtet.“
„Das glaube ich nicht“, sagte Mary nüchtern. „Wenn er hier geschlafen hätte, hätte die Parkbehörde ein Schild aufgestellt.“
Sie sahen sich im Hause um. „Die Decke scheint ziemlich dicht zu sein“, bemerkte Paul. „Nirgends dringt auch nur ein Tropfen ein.“ Er wanderte im Raum umher. „Irgendwann werden sie vermutlich einen Eichenboden einziehen und diesen wundervollen Moosteppich ruinieren. Sieh ihn dir nur an! Er muß wenigstens hundertfünfzig Jahre alt sein.“ Er schaute auf die Uhr. „Ein Uhr. Laß uns etwas essen.“
Sie setzten sich mit gekreuzten Beinen auf das Moos und verzehrten die Sandwiches und ein Stück Apfelkuchen. Während sie kauten, starrten sie gedankenverloren durch die offene Tür hinaus und die Böschung hinunter auf das Wasser, das im herniederprasselnden Regen weiß aufschäumte. Paul schraubte die Thermosflasche auf und stellte die beiden Pappbecher auf den Boden.
Plötzlich fiel ihm ein, daß in seiner Jackentasche ein Grammpäckchen Trialin steckte. Er hatte es für die Anhörung mitgebracht, aber es hatte sich keine Gelegenheit ergeben, zu der er es gebraucht hätte. Er dachte an den letzten Brief von Mukerjee, in dem der Hindu von der oralen Verabreichung in einer Verbindung mit 2,6-Dihydroxypurin gesprochen hatte. Der Tee enthielt jede Menge von diesem Purin. Er riß das Päckchen auf.
Warum wollte er es tun? Es war nicht sicher. Er dachte an den Ozongeruch und an die verwaschene Tafel vor der Tür. Zumindest würde es nicht schaden.
„Trialin“, erklärte er Mary. „Es verbindet sich mit Purinen, Xanthinen und Tanninen
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