Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
Besten gab. Bei einigen besonders gelungenen Imitationen standen uns vor Lachen fast die Tränen in den Augen. Als Mareike sich um halb zehn ein Taxi rief, stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass es mir bereits viel besser ging. Ich fühlte mich nicht mehr sterbenselend, sondern nur noch elend. Immerhin …
Kurz nach meiner Freundin ging auch Philipp. Ich brachte ihn zur Tür. »Vielen Dank für den netten Empfang und das tolle Essen. Ach ja, und natürlich für die Zahnbürste.«
»Gern geschehen. Wenn du Lust hast, kannst du mich ja mal im Sender besuchen«, schlug Philipp beim Abschied vor.
»Mal sehen«, antwortete ich vage.
Kapitel 8
N un gab es in Düsseldorf also einen Singlehaushalt weniger. Einerseits war es schön, nicht mehr jeden Abend in eine leere, ausgestorbene Wohnung zurückzukehren, andererseits stellte ich schnell fest, dass auch die neue Weiberwirtschaft so ihre Tücken hatte.
In den ersten Tagen rasselten Lili und ich häufig aneinander. Angeblich war der Deckel der Zahnpastatube ja ein beliebter Zankapfel. Bei uns nicht. Da Lili Flaschen und Tuben generell offen ließ, hatte ich mich rasch daran gewöhnt, dass die Zahnpastatube nie zugeschraubt war. Damit konnte ich leben. Es war Lilis Schlampigkeit im Allgemeinen, die mich zur Weißglut trieb. Abends, wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, konnte ich lückenlos rekonstruieren, was meine kleine Schwester während meiner Abwesenheit getrieben hatte. Im Flur stolperte ich bereits über Lilis Sporttasche, auf der Spüle lagen Brötchenkrümel und ein schmutziges Nutellamesser, und der Küchentisch verschwand in der Regel unter einer dicken Schicht Zeitschriften und einer wechselnden Anzahl von Kaffeetassen, die an den Rändern unterschiedliche Lippenstiftfarben trugen. Ich hatte nichts dagegen, dass Lili Freundinnen zu uns nach Hause einlud, nur verspürte ich nicht die geringste Lust, auch noch hinter denen herzuräumen. Die allabendliche Krönung war jedoch Lilis nasses Handtuch auf dem Boden neben der Dusche.
Überhaupt entwickelte sich das Badezimmer zum Hauptkrisenherd. Seit Lilis Einzug glich es einem Chemielabor. Es war mir ein Rätsel, was für Substanzen sich in all den Tiegeln, Tuben, Töpfchen und Fläschchen befanden, die Lili angeschleppt hatte. Meist dauerte es Ewigkeiten, bis ich meine Antifaltencreme und mein Deo in diesem Wust von Kosmetikpräparaten gefunden hatte – was aber nicht weiter tragisch war, da ich ohnehin kaum noch ins Badezimmer vordrang. Lili belegte diesen Raum fast rund um die Uhr mit Beschlag.
Auch mit der Arbeitsteilung haperte es ein wenig. Mein Vorschlag, zu Beginn jeder Woche einen Haushaltsplan aufzustellen, war von meiner Schwester als »spießig« abgeschmettert worden. Na schön, ich wollte nicht spießig sein. Aber ich wollte die Hausarbeit auch nicht allein erledigen. Ergo lief es darauf hinaus, dass ich Lili von Zeit zu Zeit kleine Aufgaben übertrug, wie etwa einkaufen gehen oder die Spülmaschine ausräumen, die sie auch brav erledigte. Es dauerte nur unter Umständen ein paar Tage.
Nun ja, früher oder später würde meine Schwester schon noch kapieren, dass meine Wohnung nicht das »Hotel Mama« war. Zu dem Verwöhnprogramm, in dessen Genuss Lili zu Hause gekommen war, gehörte auch der allmorgendliche Weckdienst. Im Gegensatz zu meiner Mutter fehlte mir jedoch morgens sowohl die Lust als auch die Zeit, um in Fünfminutenintervallen vor Lilis Bett aufzukreuzen und sie mit allen möglichen Tricks, Versprechungen oder Drohungen zum Aufstehen zu bewegen. Und mich zum Dank womöglich auch noch beschimpfen zu lassen. Mit neunzehn war meine Schwester wirklich kein Baby mehr und alt genug, selbst dafür zu sorgen, dass sie rechtzeitig zur Uni kam. Hatte ich zumindest gedacht. Nachdem sie jedoch drei Tage in Folge verschlief, konnte ich das Elend nicht mehr länger mit ansehen. Wie sollte sie ihr Studium packen, wenn sie es nicht mal bis in den Hörsaal schaffte?
»Hilfe zur Selbsthilfe« war hier gefragt. Überall in Lilis Zimmer verteilte ich Wecker, die morgens im Abstand von drei Minuten losbimmelten. Um die Krachmacher zu entschärfen, musste sie das Bett verlassen. Was sie aber trotzdem nicht daran hinderte, anschließend wieder unter die warme Decke zu kriechen.
Doch das Weckritual erfüllte noch einen ganz anderen Zweck. Die Vorstellung, dass Frau Kötter, ihres Zeichens Rentnerin, und Dackel Rudi, seines Zeichens Schlafmütze, jeden Morgen um die gleiche Zeit senkrecht im Bett
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