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Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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wies. Überheblich wie eh und je und nur auf seine Arbeit bedacht, war er einmal mehr der unerreichbare, streng wirkende Burgherr. Jener bedrohliche Mann, der an ihrem Bett gestanden hatte, als sie nach dem Fieber in der fremden Umgebung zu sich gekommen war.
    »Kenrick … «
    »Heute Abend, Haven«, wiederholte er, nahm dann einen Gänsekiel zur Hand und schrieb etwas auf ein Stück Pergament, als habe sie den Raum schon längst verlassen.

23
    »Oh, ich wusste, dass dir das Gewand stehen würde.« Ariana strahlte Haven an und trat einen Schritt zurück, um die weich fallenden Röcke des grünlich schillernden Kleides auf sich wirken zu lassen. Mit einem Lächeln und einer sanften Hand an Havens Ellbogen drehte sie ihre zukünftige Schwägerin so herum, dass diese sich in dem hohen Spiegelglas betrachten konnte. »Es sitzt vollkommen. Eine wahre Augenweide.«
    Haven starrte auf das ungewohnte Spiegelbild und meinte, einer unwirklichen Erscheinung gegenüberzustehen.
    »Du stimmst mir doch zu, nicht wahr?«, fragte Ariana, stellte sich neben Haven und sah sie in der glatten Glasfläche an.
    »Ja, natürlich. Es ist wunderschön.«
    »Dann gehört es jetzt dir.«
    »Mir?« Haven wandte sich Ariana zu, aufs Neue über die Freigebigkeit von Kenricks Schwester erstaunt. »Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll. Dies ist … ein außergewöhnliches Geschenk. Dabei hast du mir bereits so viel gegeben. Ich glaube, ich darf das nicht annehmen … «
    »Ach, Unsinn.« Kenricks Schwester bedachte sie mit einem gespielt strengen Blick, in dem mehr Belustigung als Ernst lag. Ihre zierlichen Hände legten sich auf ihren Bauch. »Es wird noch ein Jahr dauern, bis ich das Gewand wieder tragen kann, warum sollte ich es also liegen lassen und den Motten zum Fraß vorwerfen?«
    »Ariana«, sagte Haven mit einem Kopfschütteln, »das ist ein großzügiges Angebot, aber ich … «
    »Keine Widerrede. Dieses Gewand ist mein Geschenk für dich, Haven.« Sie drückte ihre Hand. »Nimm es an, als meine Freundin … und als meine zukünftige Schwägerin.«
    Unfähig, den Blick von dem herrlichen Kleid mit der golddurchwirkten Stickarbeit und den fließenden, eleganten Röcken zu lösen, drehte sich Haven erneut dem Spiegelglas zu. Nicht einmal die Magie aus Anavrin war in der Lage, eine solche Hochstimmung zu erzeugen, die sie nun verspürte, als sie das kostbare Gewebe auf ihrer Haut spürte.
    Während sie sich vor dem Spiegel hin- und herdrehte und sich für einen Augenblick einer jungmädchenhaften Freude hingab, nahm Ariana eine Bürste und begann, Havens üppige Haarpracht zu ordnen. »Willst du es heute Abend so tragen?«, fragte sie und steckte das rötlich braune Haar zu einem losen Knoten an Havens Hinterkopf auf.
    Haven hätte zugestimmt, wären da nicht die hässlichen Würgemale an ihrem Hals gewesen. Sie mochten zwar blasser geworden sein, aber selbst in dem matten Licht der Kemenate waren die Striemen unübersehbar. Der Anblick dieser Male trübte Havens Freude. Es war ihr leichtgefallen, sie zu vergessen und einfach zu leugnen, woher sie stammten … und wie es zu dieser Verletzung gekommen war.
    Sehr behutsam ließ Ariana die schimmernde Lockenpracht auf Havens Schultern zurückfallen. Sie arrangierte einige Locken so, dass sie sich um ihren Hals kringelten und die dunklen Male anmutig überdeckten. »Es sieht herrlich aus, ganz gleich, wie du es trägst. Und ich habe eine Halskette, die auf deiner hellen Haut wundervoll aussehen wird.«
    Gerührt von der Freundlichkeit, die Ariana ihr entgegenbrachte – jetzt und während ihres ganzen Aufenthalts auf Clairmont Castle – , umschloss Haven ihre schlanken Finger mit ehrlicher Zuneigung.
    Alles hatte sich schlagartig geändert. Das Wissen um ihre Herkunft und ihre Bestimmung war eine Bürde für Haven, die schwer auf ihr lastete. Allein der Gedanke, sie könnte ihre neu gewonnene Freundin und auch Kenrick verlieren, hinterließ einen heftigen Schmerz in ihrer Seele. Noch nie war sie bei Fremden so herzlich aufgenommen worden. Wie bedauerte sie es, dass sich ihre Vergangenheit nun wie ein Untier aufrichtete und ihr alles nehmen würde, was ihr lieb und teuer war.
    »Hab Dank, Ariana. Für alles.«
    »Keine Ursache.« Sie legte die Bürste zur Seite. »Ich hole nur rasch die Halskette.«
    »Ariana … «, fragte Haven, als die blonde Frau bereits zur Tür eilte. Von plötzlicher Unsicherheit befallen, strich sie die langen Röcke glatt und spürte, dass ihre Handflächen

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