Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
für seine Zwecke ausreichend erforscht, die Nacht in der Hauptstadt erschien ihm seither wesentlich a n genehmer. Er floh das grelle Licht der südlichen Sonne und die damit verbundene Hitze, den Lärm und das G e dränge in den Gassen. Das, was er auf den Ausgängen mit seinem Brotgeber davon sah, war ihm genug. Die Nacht dagegen war kühl und verschwiegen, und seine Gedanken gehörten ihm allein.
Das Tor der Villa öffnete sich, doch es war nur ein ang e trunkener Gast, der in Begleitung seiner Lei b wächter nach Hause torkelte. Erst nach Längerem öffnete sich die Tür erneut, und Cynara trat heraus. Sie verabschiedete sich noch unter der Eingangstür von einem Mann, der auf sie einredete. Als sie sich von dem Schwätzer befreit hatte, folgten ihr ihre Musikanten auf den Platz vor dem Haus. Offe n sichtlich war sie heute allein, deshalb ging er auf sie zu. Er registrierte ihren erleichterten Blick und b e grüßte sie höflich. Nie versäumte er es, sie nach den Vorkommnissen des Abends zu fragen, und sie e r griff stets die Gelegenheit, ihm eine lustige Episode oder e i nen kleinen Skandal zu erzählen. Sie lachten gemeinsam über die Geschichte, den Rest des Weges legten sie dann schwe i gend zurück. Heute jedoch fing Cynara nach einer Weile erneut an zu sprechen.
„Es ist schon seltsam, wenn man von so einer Veransta l tung kommt, denkt man, dass man für die nächsten W o chen genug hat von Gesellschaft. Aber wenn der nächste Abend dann anbricht und man sitzt allein zu Hause, so glaubt man nach kurzer Zeit, dass einem die Decke auf den Kopf fallen wird. Wenn man dann ins Bett geht, kann man nicht schlafen, weil man ja sonst immer noch hellwach ist und feiert. Man langweilt sich und wird u n zufrieden, und so wird aus dem lang ersehnten ruhigen Abend meistens eine wahre Katastr o phe.“
Sie machte eine Pause, aber ihr Begleiter sah sie nur au f merksam aus seinen zweifa r bigen Augen an.
„Du erwähntest einmal, dass du auch nur schwer in den Schlaf findest, nicht wahr?“
„Bei mir ist das normal, egal ob ich G e sellschaft habe oder allein bin, ich liebe die Nacht und brauche nur w e nig Schlaf.“ Sie seufzte.
„Ich fürchte mich vor der Nacht, wenn ich sie ohne G e sellschaft ertragen soll. Stille und Dunkelheit ängstigen mich, seit ich klein war.“
Es war zum Verzweifeln, noch immer kam kein Vo r schlag
von ihm.
„Stell dir nur vor, drei Abende bin ich nun ohne Einl a dung und soll zu Hause sitzen. Mir graut schon heute, obwohl ich jetzt wirklich ste r bensmüde bin.“
Endlich hatte er begriffen!
„Soll ich dir Gesellschaft leisten?“
- Na also! - „Nein, nein! Ich kann deine Geduld und de i ne Fürsorge nicht zu sehr strapazieren. Du tust schon so viel für mich, ohne dass ich dir jemals gedankt hätte.“
„Du musst mir nicht danken, es ist mir ein Ve r gnügen. Und es wäre mir eine Freude, wenn ich dich morgen ein wenig zerstreuen könnte.“
„Meinst du wirklich? Vielleicht eine oder zwei Stunden nach Sonnenuntergang.“
„Sehr gerne!“
Sie waren an der Haustür angekommen, und er vera b schiedete sich freundlich wie immer.
Als sie im Inneren der Villa verschwunden war, ging er langsam nach Hause. Eigentlich entwickelten sich die Dinge genauso wie er es vorgehabt hatte. Ab morgen würde er seiner Rolle als treuer Freund eine neue Facette hinzufügen, und doch war ihm mulmig. Er hatte ve r sprochen, sie ein wenig zu ze r streuen. Inzwischen konnte er seine Fähigkeiten, eine leichte Unterhaltung zu führen, klar genug einschätzen, um zu wi s sen, dass er alles andere als ein routinierter Gesellschafter war. Er erinnerte sich nur zu gut an die Gesichter in den Gesindestuben, wenn er zusammen mit seinem nubischen Freund aufgetaucht war. Allein ihre Gegenwart schien eine stimmungstöte n de Wirkung auf alle anderen zu b e sitzen. Sie hatte sich wirklich einen netten Unterha l ter ausgesucht. Doch es gab nun kein Zurück, er hoffte, dass ihm schon irgen d etwas einfallen würde. Stattdessen überlegte er, was er ihr mitbringen konnte. Ein heiserer Laut ließ ihn aufs e hen, und wie alte Freunde begrüßte er die beiden Raben, die er als schwarze Silhouette auf einem der Dächer erke n nen konnte.
Am nächsten Abend erschien er gerade so unpün k tlich, dass man ihm keinen Vorwurf machen konnte. Er übe r reichte ihr sein Geschenk, einen kleinen, knorrigen Apr i kosenzweig, den er in Trebatius Garten abg e brochen hatte. Er hatte alle Blattknospen en t fernt
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