Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
bemerken haben, dann sollten Sie das jetzt tun.«
38
»Was ist da passiert, Charlie? Was haben Sie Ihren Leuten gefüttert? Rohes Steak?«
Resnick wischte einen Mayonnaiseklecks weg, der irgendwie aufs Revers seines Jacketts geraten war. Das zweite Mal innerhalb von zwölf Stunden beim Superintendent auf der Matte, das gefiel ihm gar nicht. »Sie haben vielleicht ein bisschen hart zugelangt, waren vielleicht ein bisschen voreilig, Sir.«
»Ich sag Ihnen, was sie getan haben, Charlie. Sie haben mit guter Polizeiarbeit eine Spur aufgetan und dann mit Rambo-Methoden, die für jedes Gericht Anlass wären, den Fall einfach zu verwerfen, alles verpfuscht.«
»Dazu haben wir lediglich Kilpatricks Aussage, Sir.«
»Sie glauben ihm nicht?«
Resnick antwortete nicht.
»Nötigung, auf jeden Fall verbal, von körperlicher Gewalt nicht weit entfernt; Verweigerung der Kontaktaufnahme mit seinem Anwalt – und Sie wissen wohl, mit wem wir es da zu tun bekommen?«
Resnick wusste es: Er und Suzanne Olds waren alte Sparringspartner, die gelegentlich am Kaffeestand auf dem Markt zusammen einen Espresso tranken. Sie begegneten einander mit widerwilligem Respekt und ließen keine Gelegenheit aus, dem anderen eins auszuwischen.
»Ms Olds steht schon in den Startlöchern und freut sich auf das Honorar, das sie dank unserer Dummheit einstreichen wird.«
»Es steht immer noch Kilpatricks Aussage gegen unsere.«
»Und welcher glauben wir?«
Resnick blickte an Skeltons Kopf vorbei zum Fenster, hinter dem der Himmel in dieser blauen Schwärze versank, die niemals richtig schwarz wird – die Dunkelheit der Städte. Wieder ein Tag, und Emily Morrison war immer noch nicht gefunden. War es so schwer, das Verhalten seiner Leute zu verstehen, ihre Enttäuschung und ihren Frust?
»Nicht schwer zu verstehen, was da passiert ist, Charlie. Tagelang nichts als Routine und eine Sackgasse nach der anderen und dann plötzlich das. Das ist wie ein Rausch, und die Vernunft bleibt auf der Strecke.«
Resnick nickte zustimmend. »Bei Divine wundert es mich nicht. Aber Graham …«
»Leute wie Millington, Charlie, für die ist die nächste Sprosse auf der Leiter das Ende des Regenbogens. Das Einzige, was sie sehen, was sie ihrer Meinung nach unbedingt brauchen, ist die eine große Chance, der eine große Fall, der sie zum Helden macht. Wenn Sie ihn jetzt auf den Boden der Tatsachen herunterholen, wird er Ihnen das schwer verübeln.«
Eine Weile sagte keiner von beiden etwas; der Verkehr rollte mit so hohem Tempo über die Hügelkuppe, dass die Mauern des Gebäudes bebten. Resnick stellte sich vor, wie ein Stück hügelabwärts Lorraine Morrison in ihrer Küche stand, wie sie auf die Uhr schaute, die Zeit prüfte und die Stimmung ihres Mannes taxierte. Vielleicht hatte er im Zug ein Bier mehr als gewohnt getrunken, und zwei Whisky statt einen. Worüber würden sie vor dem Abendessen sprechen, und danach, um nicht die Stille aushalten zu müssen,die noch vor so kurzer Zeit dank des Geplappers und Lachens ihrer Tochter gar nicht entstanden wäre?
»Und wenn sie recht haben, Sir? Mit Kilpatrick.«
Skelton schüttelte den Kopf. »Haben Sie nie die Arbeiter auf den Baustellen gesehen, Charlie? Die legen jedes Mal, wenn ein Schulmädchen vorbeikommt, ihre Werkzeuge nieder. Ich hab’s selbst erlebt mit meiner Kate. Seit sie zwölf war, haben sie ihr nachgepfiffen, und das war noch das Harmloseste. Vor allem, wenn sie ihre Schuluniform anhatte, was meistens der Fall war. Ich weiß nicht, was es mit Faltenröcken und weißen Söckchen auf sich hat, und ich bin froh, dass ich es nicht weiß, aber wenn wir jeden Mann einbuchten würden, der solchen Fantasien nachhängt, säße die Hälfte der männlichen Bevölkerung hinter Gittern. Ach was, mehr. Und wenn dieser Kilpatrick Frauen gutes Geld dafür bezahlt hat, dass sie seine Fantasien bedienten, ist er meiner Ansicht nach eher nicht unser Mann.«
Resnick nickte, während er sich fragte, ob Skelton sich Bücher über sexuelles Verhalten ausgeliehen oder lediglich die ›Company‹ und die ›Cosmopolitan‹ seiner Frau gelesen hatte.
»Sein Auto stand in der Nähe des Hauses der Familie Morrison, Sir. Etwa um die Zeit, als das kleine Mädchen verschwand.«
»Er hatte einen Grund, den Wagen dort abzustellen. Während wir, wenn ich mich nicht ganz gewaltig irre, keinerlei konkreten Grund haben, ihn mit der Kleinen in Verbindung zu bringen.«
Resnick kniff sich in den Nasenrücken. Seine Augen brannten,
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