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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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trat er an den
Feldaltar, der vor seinem Zelt aufgeschlagen war, und breitete die Arme aus.
    Â»Oremus!« , seufzte er. »Lasset uns beten.«
    Während Poppo zum Stufengebet auf die Knie sank, schlug Petrus da
Silva das Zeichen des Kreuzes. Selten war er so ratlos gewesen. Was war Gottes
Plan? Wer sollte die Kirche führen? Poppo, dieser gottesfürchtige, aber schwache
Mann, der so hilflos dem Schicksal ausgesetzt war wie ein Blatt dem Winde? Oder
Benedikt, der Tuskulaner, der so viel Unglück über Rom gebracht und trotzdem
nun zum dritten Mal die Cathedra erobert hatte?
    Poppo stimmte gerade das Gloria an, als am Horizont ein Reiter
auftauchte. Im gestreckten Galopp raste er auf das Feldlager zu. Petrus da
Silva kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen. Täuschte er sich, oder war
das tatsächlich sein Bote?
    Â»Laudamus te, benedicimus te, adoramus te« ,
sang Poppo mit zitternder Stimme. »Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten
dich an.«
    Rücksichtslos sprengte der Reiter unter die Betenden, trieb sein
Pferd bis an den Altar und sprang aus dem Sattel.
    Â»Die Antwort des Kaisers«, rief er und zog eine Schriftrolle aus
seinem Mantelsack.
    Â»Gelobt sei Gott!«
    Voller Ungeduld riss Petrus da Silva ihm den Brief aus der Hand und
brach das Siegel. Zwei Worte sprangen ihm entgegen: canonice
depositus …
    Konnte es wirklich sein, dass seine Hände zitterten?
    19
    Leise geflüsterte Worte stiegen im Dunkel der Basilika auf, brachen
sich an dem niedrigen Deckengewölbe und verhallten in dem verlassenen
Kirchenschiff. Teofilo kniete vor dem Hochaltar und versuchte zu beten. Doch es
gelang ihm nicht, seine Gedanken auf Gott zu richten. Seit Monaten wartete er
auf eine Antwort von Chiara, auf ein Zeichen, dass sie bereit war, ihm den
letzten Wunsch zu erfüllen, den er noch an sie hatte. Aber das einzige
Lebenszeichen, das er von ihr erhalten hatte, war ein Brief des Priors von
Grottaferrata, in dem dieser ihn in ihrem Auftrag und Namen um Erlaubnis bat,
ein Frauenkloster in den Albaner Bergen zu gründen, nach der Regel des Heiligen
Benedikt, mit einer Außenstelle im römischen Stadtgebiet, zum Zweck der Armen-
und Krankenpflege.
    War er ihr so zuwider, dass sie seinen Anblick nicht mal für eine
Stunde ertrug?
    Â»Herr, leite ihre Wege, und führe sie zu mir, ein allerletztes Mal …«
    In dem Schweigen, das ihm antwortete, spürte er Gottes ganze
Verachtung. Plötzlich glaubte er zu ersticken, er zerrte am Kragen seines
Mantels, um sich von diesem unerträglichen Druck zu befreien, den er auf der
Brust spürte. Warum weigerte Gott sich, sein Gebet zu erhören? Er war doch zu
allem bereit, was er von ihm verlangte, und wenn es ihm das Herz im Leib
zerriss.
    Â»Herr, leite ihre Wege, und führe sie zu mir, ein allerletztes Mal …«
    Auf einmal kam ihm ein Gedanke. War es gar nicht Gottes Schweigen,
das ihm die Kehle zuschnürte? War dieses Schweigen nicht ihre, Chiaras Verachtung?
Er nahm das Kreuz, das an seiner Brust hing, nahm es zwischen die Hände und
presste sein Fleisch in die Spitzen, bis der Schmerz stärker war als seine
Verzweiflung.
    Â»Herr, leite ihre Wege, und führe sie zu mir, ein allerletztes Mal …«
    Er ließ das Kreuz los und schaute auf seine Hände. Blut tropfte auf
seine Alba, wie aus den Wundmalen Christi quollen die dunklen, fast schwarzen
Tropfen. Gott sie Dank, dass es diesen Schmerz gab, der Schmerz war sein
Schutz, er betäubte und dämpfte seine Wut, die Angst, dass der alte Dämon ihn
besiegte.
    Â»Herr, leite ihre Wege, und führe sie zu mir, ein allerletztes Mal …«
    Schritte hallten von den Wänden des menschenleeren Doms wider.
Teofilo lief ein Schauer über den Rücken.
    Hatte Gott sein Gebet erhört?
    Als er sich umdrehte, erblickte er seinen Bruder.
    Â»Bonifacio hat uns verraten!«, rief Gregorio. »Er ist auf dem Weg
nach Rom, mit deinem Nachfolger! Wir müssen aus der Stadt verschwinden!«
    Teofilo brauchte eine Weile, bis er begriff.
    Â»Das heißt – es ist vorbei?«, fragte er.
    Â»Wir haben keine Wahl!«, erwiderte Gregorio. »Heinrich ist nicht
bereit, dich auf dem Thron zu dulden, von dem er dich selber abgesetzt hat.«
    Â»Canonice depositus …« , murmelte Teofilo.
    Â»Jetzt ist keine Zeit, lateinisches Zeug zu quatschen!«, fuhr sein
Bruder ihn an. »Heinrich hat Bonifacio mit

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