Der Kinderpapst
kratzen!«
»Dann wollen wir Seiner Heiligkeit mal helfen!«
Teofilo spürte, wie ihm jemand die Hose runterzog. Während fremde
Hände sich an seinem Hinterteil zu schaffen machten, klatschte eine Kelle
Jauche in sein Gesicht. Wut flackerte in ihm auf. Was für ein feiges Gesockse!
Solange er sie misshandelt hatte, waren sie vor ihm im Staub gekrochen, aber
jetzt ⦠Der Gedanke währte nur einen Augenblick. Ich glaube
an Gott, den allmächtigen Vater ⦠Mit den Worten des Glaubensbekenntnisses
betäubte er seine Gefühle, seinen Ekel und seine Wut, verkroch er sich in
seinem Innern. Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen
Sohn, unsern Herrn, der empfangen ist vom Heiligen Geist ⦠Immer tiefer
verschwand er in seiner Seele, mit jedem Vers zog er sich weiter in die dunkle
Höhle zurück, die irgendwo in ihm war, Schutzort und Zuflucht, wo ihn die Welt
nur noch wie aus weiter Ferne erreichte.
»Ich klage Euch an, Benedikt, im Namen des Allmächtigen.«
Teofilo öffnete die Augen. Vor ihm stand eine barfüÃige, in Lumpen
gekleidete Bäuerin, auf ihrem Arm trug sie ein mageres nacktes Kind. Obwohl die
Frau höchstens dreiÃig Jahre alt war, war ihr Gesicht von Hunger und Sorgen
gezeichnet wie das einer Greisin.
»Ihr habt uns Haus und Hof genommen! Und meiner Tochter den Vater.«
Das Gejohle verstummte. Sogar der Narr lieà seinen Schellenkranz
sinken. Teofilo versuchte, etwas auf die Klage der Frau zu erwidern, doch seine
Worte blieben ihm im Hals stecken. Was sollte er zu seiner Rechtfertigung sagen?
Während die Bäuerin ihr Kind an die Brust drückte, als müsse sie es immer noch
vor ihm beschützen, trat ein Tagelöhner an ihre Seite.
»Und ich habe durch Euch meinen Sohn verloren!«, sagte er. »Eure
Männer haben ihn erschlagen, als sie die Ernte meines Lohnherrn plünderten.«
Noch während er sprach, lösten sich weitere Menschen aus der Menge,
Alte und Junge, Männer und Frauen.
»Eure Männer haben meine Scheune abgebrannt.«
»Und mir die Kuh gestohlen.«
»Mir das Schwein!«
»Euer Bruder hat meine Frau geschändet.«
»Und meine Tochter! Sie hat sich umgebracht! Weil kein Mann sie mehr
haben wollte!«
Unfähig, sich zu rühren, hing Teofilo an seinen Ketten und starrte
all die fremden Menschen an. Wie Schatten aus der Unterwelt traten sie ihm
entgegen, von allen Seiten kamen sie auf ihn zu, immer mehr und mehr und mehr â
eine lebende Klagemauer, die sich vor ihm erhob und den Himmel verdunkelte.
»Ich habe durch Euch meine Eltern verloren, keine fünf Jahre war ich
alt. Ich kann mich kaum noch an sie erinnern.«
»Drei Söhne hatte ich, Eure Söldner haben sie verschleppt. Kein
Einziger ist zurückgekommen.«
»Uns haben sie die Wintervorräte gestohlen, weil ich die Abgaben
nicht zahlen konnte. Meine Frau und meine Schwester sind verhungert.«
Laut dröhnten die Klagen in seinem Kopf, und die Blicke senkten sich
wie Pfeile in sein Herz. Er hatte gewusst, welche Gräueltaten in seinem Namen
geschehen waren. Doch noch nie hatte er in die Gesichter seiner Opfer gesehen,
nie ihre Stimmen gehört. Was hatte er angerichtet? Das Unglück in ihren Augen,
das Elend, das aus ihren Worten sprach, war schlimmer als jede Strafe.
»Bitte verzeiht mir«, flüsterte er. »Bitte verzeiht â¦Â«
»Verzeihen?«, schrie ein Bauer. »Das hättest du wohl gerne!« Er
bückte sich zu Boden und hob einen Knüppel auf. »Krepieren sollst du!«
»Ja, krepieren!«
»Krepieren!«
2
»Seine Heiligkeit ist tot!«, sagte der Diakon, der ohne
anzuklopfen in die Kanzlei gestürmt war.
»Benedikt â tot?«, erwiderte Petrus da Silva. »Gelobt sei Jesus
Christus!«
Während er das Kreuzzeichen schlug, blickte er auf den Akt auf
seinem Pult. Er hatte am Morgen eine Urkunde aufgesetzt, durch die der
Tuskulanerpapst aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen werden
sollte, zur Strafe für seine simonistischen Verfehlungen. Damasus hatte den
Kirchenbann bereits unterschrieben, am kommenden Sonntag sollte der Beschluss
von allen Kanzeln Roms verkündet werden, um eine Rückkehr Teofilos ein für alle
Mal zu verhindern. Hatte die Sache sich nun auf wunderbare Weise erledigt?
Petrus da Silva waren Gerüchte von einem widerlichen Schauspiel in Albano zu
Ohren gekommen, bei dem der
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