Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
Heiligkeit uns bleibende Wundmale verspricht!«,
brüllte Kardinal Giampini und klopfte sich vor Vergnügen auf den Schenkel.
    Teofilo war zu keiner Entgegnung fähig. Alles, was er sagte, wurde
ihm im Mund herumgedreht, und je länger er sprach, umso wirrer wurde seine
Rede. Wortlos blickte er in die Gesichter der Kardinäle, lauter lachende,
feixende Gesichter, manche mit Tränen in den Augen, aufgerissene Münder mit
langen gelben Zähnen wie von Raubtieren, dazwischen ein Truthahn mit roten, hin
und her schlackernden Hautlappen unter dem Kinn … Wut stieg in ihm auf, wie
damals in St. Peter, bei der Krönungsfeier des Kaisers. Was fiel diesen
Menschen ein, ihn auszulachen? Er war Petrus, der Stellvertreter Christi und
schon fast fünfzehn Jahre alt! Erster Flaum stand auf seiner Oberlippe, und
beim Reden überschlug sich manchmal seine Stimme, als wäre er im Stimmbruch.
    Â»Erlaubt mir eine Bemerkung, Ewige Heiligkeit«, ergriff Petrus da
Silva das Wort. »Armut, Keuschheit und Gehorsam sind die Weisungen des Herrn,
gewiss, und jeder, der sich an diese Tugenden hält, führt ein heiligmäßiges
Leben. Doch wir müssen auch bedenken, dass Jesus Christus seine Weisungen nicht
an alle seine Nachfolger gerichtet hat. Sie gelten nur für wenige Auserwählte,
diejenigen unter seinen Jüngern also, die kraft der himmlischen Gnade imstande
sind, seinem Beispiel wirklich und wahrhaftig zu folgen.«
    Teofilo wusste, der Kanzler wollte die Gemüter beruhigen, um den
Streit zu schlichten. Doch er selber wurde durch die Belehrung nur noch
wütender, als er ohnehin schon war. Seit Wochen hatte er auf diesen Tag
hingefiebert, um endlich sein Amt so zu gebrauchen, wie es Gottes Wille war,
auf dass die Gebote Jesu Christi zur Richtschnur wurden für alle seine Diener.
Armut, Keuschheit und Gehorsam statt Prasserei, Wollust und Hochmut – einfacher
und klarer konnte keine Weisung sein! Aber was in der Einsiedelei seines
Taufpaten so einfach und klar gewesen war, schien hier plötzlich so unauflösbar
und verwickelt wie ein verknotetes Fangnetz, in dem noch die lebenden Fische
zappelten.
    Â»Dann schreiten wir nun zur Ehrung von Kardinal Settembrini«,
erklärte der Zeremonienmeister.
    Â»Ja, kommen wir endlich zum Geschäft!«, pflichtete Kardinal
Baldessarini ihm bei.
    Als wäre Teofilo gar nicht da, ging ein lautstarkes Geschacher los
um Pfründe und Ämter, die die Mitglieder des Konsistoriums von ihrem neuen
Mitbruder verlangten oder erwarteten. Teofilo konnte es nicht fassen. Was für
ein widerliches Schauspiel! Wie sie da feilschten in ihren hermelinbesetzten
Seidenroben! Ein Geschacher so schlimm wie einst das Geschacher der Viehhändler
im Tempel von Jerusalem, bevor Jesus sie vertrieben hatte, samt ihren Rindern
und Schafen, mit einer Geißel aus Stricken.
    Â»Macht nicht das Haus meines Vaters zu einer Markthalle!«, schrie
Teofilo mit überschnappender Stimme in den Lärm hinein.
    Plötzlich war es still im Saal, und alle Köpfe drehten sich zu ihm
um.
    Â»Habt Ihr etwas gesagt, Heiliger Vater?«, fragte Kardinal Giampini
mit einem Grinsen.
    Â»Schämt Euch!«, erwiderte Teofilo, zitternd am ganzen Leib. »Jesus
predigt uns Armut, und Ihr … Ihr … Ihr …« Er brachte den Satz nicht zu Ende.
»Ich wollte, mein Taufpate wäre hier und könnte Euch sehen …«
    Â»Giovanni Graziano?« Voller Verachtung verzog der Sabiner das
Gesicht. »Lasst uns doch mit dem Idioten in Ruhe!«
    Das war zu viel! Noch während Giampini sich abwandte, sprang Teofilo
vom Thron, riss den Gürtel von seiner Kutte und stürzte sich auf den Kardinal.
    Â»Raus! Raus aus meinem Tempel!«
    Im selben Moment fuhr Giampini herum und packte ihn am Handgelenk.
Teofilo schrie vor Schmerz laut auf, aber der Sabiner ließ nicht los. Sein
mächtiger Brustkorb wogte, seine Faust ging in die Höhe, und für einen
Wimpernschlag glaubte Teofilo, der alte Mann wolle ihn erschlagen. Doch bevor
die Faust auf ihn niederfuhr, verengten sich Giampinos Augen, und statt ihn zu
schlagen, wandte der Kardinal sich an den Kanzler.
    Â»Bringt den Bengel raus, Eminenz. Damit wir endlich arbeiten
können.«
    Â»Bravo!«, rief Baldessarini und klatschte in die Hände. »Bravo,
bravissimo!«
    Giampini stieß Teofilo so heftig von sich, dass er stürzte. Am Boden
liegend, rieb er sich das

Weitere Kostenlose Bücher