Der Kinderpapst
»âºund nicht Vater und Mutter, Frau und
Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er
nicht mein Jünger sein.â¹Â«
»Wir kennen die Heilige Schrift so gut wie Ihr«, fauchte Kardinal
Giampini. »Aber solche Sätze darf man doch nicht wörtlich nehmen.«
»Nein, gewiss nicht!«, pflichtete Kardinal Baldessarini ihm heftig
nickend bei. »Wir haben schlieÃlich alle Frauen und Kinder. Sollen wir die
verstoÃen? Das wäre eine üble Verletzung der Nächstenliebe!«
Er war so erregt, dass Funken aus seinen Augen sprühten. Teofilo
hielt seinen Blick nicht aus und senkte den Kopf. Aber er war darum noch lange
nicht bereit, nachzugeben.
»Mein Onkel und Vorgänger im Amt, Papst Benedikt VIII ., hat auf der Synode von Pavia angeordnet, dass kein
Priester oder Bischof oder Kardinal mehr heiraten darf. âºUm des Himmelreichs
willen.â¹Â«
»âºWer das erfassen kann, der erfasse esâ¹Â«, lachte Kardinal Giampino
in Fortführung derselben Bibelstelle, »doch verzeiht, Ewige Heiligkeit, Ihr
habt es bekanntlich selber nicht erfasst. Das pfeifen doch die Spatzen von den
Dächern, dass Ihr Chiara di Sasso heiraten wolltet. Schon als halbwüchsiger
Page wart Ihr in ihren blonden Lockenkopf vernarrt. Wenn ich mich recht
erinnere, hat mein Neffe Ugolino Euch mal mit ihr erwischt.«
»Was hat Ugolino Euch erzählt?« Teofilo spürte, wie ihm die
Schamesröte ins Gesicht schoss.
Giampini weidete sich an seinem Anblick. »Genug, um zu wissen, warum
Ihr jetzt das hohe Lied der Keuschheit singt. Weil es Euch selber so sauer fiel,
auf die Vergnügungen des Leibes zu verzichten, Heiliger Vater. Aber warum macht
Ihrâs nicht wie jeder Dorfpriester oder Bischof? Haltet Euch eine Konkubine!«
»Vergesst nicht, mit wem Ihr redet!«, herrschte Kardinal Pisano ihn
an. »Ihr redet mit Seiner Heiligkeit, dem Papst.«
»Ach was«, entgegnete der Sabiner. »Ich rede mit Teofilo di Tusculo,
den gerade der Hafer sticht! Aber machen wir uns nichts vor. Jedem hier ist
klar, woher der Wind weht. Das alles hat sich doch nicht dieses Kind da
ausgedacht, sondern sein Vater, Alberico. Der alte Fuchs will, dass wir auf
Frauen und Söhne verzichten. Damit wir nichts vererben können und alles, was
uns und unseren Familien gehört, in den Besitz der Kirche gelangt â also in den
Besitz der Tuskulaner.«
»Sehr richtig«, meinte Kardinal Baldessarini. »Der Heilige Geist
könnte nicht wahrer reden. Den Tuskulanern geht es nur um die Vorrechte ihrer
Familie, die nun schon den dritten Papst auf den Thron gebracht hat.«
Beifälliges Raunen wurde laut.
»Wahr gesprochen, Eminenz!«
»Die Tuskulaner wollen sich noch mehr unter den Nagel reiÃen, als
sie sowieso schon haben.«
Teofilo schnappte nach Luft. »Habt Ihr nicht gehört, was ich gesagt
habe?«
»Und ob wir das gehört haben!«
»Mehr als uns lieb ist!«
»Aber wie könnt Ihr dann glauben, ich wollte den Besitz meiner
Familie mehren? Wir sollen leben wie Jesus, das ist unser Auftrag, und Jesus
lebte in Armut. Weil Armut Gott gefällt, Reichtum aber in die Knechtschaft des
Teufels führt! So steht es in der Bibel. âºEher geht ein Kamel durch ein
Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes eingeht!â¹Â«
»Wollt Ihr damit sagen, Euer Vater â nicht der im Himmel, sondern
der in der Tuskulanerburg â ist ein Kamel?«, fragte Kardinal Baldessarini mit
schmallippigem Lächeln.
Schallendes Gelächter antwortete ihm.
»Schluss jetzt!«, rief der Zeremonienmeister, das Gesicht puterrot,
in den Lärm hinein. »Das Birett für Kardinal Settembrini. Seine Eminenz hat
lange genug gewartet.« Auf ein Zeichen trat der Diakon vor den Genannten, um
ihm die rote Kopfbedeckung zu überreichen.
»Ich ⦠wir ⦠ich will aber noch etwas sagen«, stammelte Teofilo.
»Ja was denn noch, Herr im Himmel?«, fragte Kardinal Pisano.
»Nicht nur Armut und Keuschheit sind die Tugenden, nach denen wir
leben sollen, sondern auch der Gehorsam. Jesus war seinem Vater gehorsam, bis
zum Tod am Kreuz. Und so wie er sollen auch wir seinem Willen gehorchen. Um in
Armut und Keuschheit zu leben.«
»Das wird ja immer schöner«, rief Kardinal Baldessarini. »Sollen wir
uns jetzt auch noch ans Kreuz nageln lassen?«
»Aber nur, wenn Seine
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