Der Klient
darüber, was mit dem Mobiliar seines Büros geschehen soll. Außerdem steht darin, wo die Sekretärin sein Testament finden kann. Natürlich nichts über Boyette. Nichts über Muldanno. Dann hat er offenbar versucht, noch einen Zusatz zu machen – mit einem blauen Kugelschreiber, aber der war leer, bevor er die Nachricht beenden konnte. Sie ist fürchterlich gekritzelt und kaum zu entziffern.«
»Um was geht es?«
»Das wissen wir nicht. Der Abschiedsbrief, die Waffe, die Tabletten, sämtliches Beweismaterial, das sie aus dem Wagen geholt haben, befinden sich immer noch bei der Polizei von Memphis. McThune versucht gerade, alles zu bekommen. Sie haben einen leeren Kugelschreiber im Wagen gefunden, und es scheint der zu sein, mit dem er versucht hat, einen Zusatz zu seinem Abschiedsbrief zu schreiben.«
»Er wird es haben, wenn wir ankommen?« fragte Foltrigg in einem Ton, der keinerlei Zweifel daran ließ, daß er selbstverständlich erwartete, alles bereit zu finden, sobald er in Memphis eingetroffen war.
»Unsere Leute arbeiten daran«, erwiderte Trumann. Genaugenommen war Foltrigg nicht sein Chef, aber dies war jetzt ein Fall, in dem Anklage erhoben worden war, keine Sache der Ermittlungen mehr, und der Reverend hatte das Sagen.
»Jerome Clifford ist also nach Memphis gefahren und hat sich das Gehirn ausgepustet«, sagte Foltrigg zum Fenster. »Vier Wochen vor der Verhandlung. Mann o Mann. Mit was für Verrücktheiten müssen wir in diesem Fall sonst noch rechnen?«
Eine Antwort wurde nicht erwartet. Sie fuhren schweigend weiter und warteten darauf, daß Roy weitersprach.
»Wo ist Muldanno?«
»In New Orleans. Wir observieren ihn.«
»Bis Mitternacht wird er einen neuen Anwalt haben, und bis morgen mittag wird er ein Dutzend Anträge auf Vertagung stellen mit der Begründung, daß der tragische Tod von Jerome Clifford seine verfassungsmäßigen Rechte auf eine faire Verhandlung mit Unterstützung durch einen Anwalt erheblich beeinträchtigt. Wir werden natürlich Widerspruch dagegen einlegen, und nächste Woche wird der Richter eine Anhörung ansetzen; die Anhörung wird stattfinden, und wir werden verlieren, und es wird sechs Monate dauern, bis der Fall zur Verhandlung kommt. Sechs Monate! Könnt Ihr euch das vorstellen?«
Trumann schüttelte angewidert den Kopf. »Zumindest gibt uns das mehr Zeit, die Leiche zu finden.«
Das stimmte, und natürlich hatte Roy auch daran gedacht. In Wirklichkeit brauchte er selbst mehr Zeit, aber er konnte es nicht zugeben, weil er der Ankläger war, der Anwalt des Volkes, die gegen Verbrechen und Korruption kämpfende Staatsgewalt. Er war im Recht, die Justiz stand auf seiner Seite, und er mußte ständig, jederzeit und an jedem Ort, bereit sein, das Böse zu attackieren. Er hatte nichts unversucht gelassen, um einen schnellen Prozeß zu erreichen, weil er im Recht war und einen Schuldspruch bekommen würde. Die Vereinigten Staaten von Amerika würden gewinnen! Und Roy Foltrigg würde den Sieg verkünden. Er konnte die Schlagzeilen sehen. Er konnte die Druckerschwärze riechen.
Außerdem mußte er die verdammte Leiche von Boyd Boyette finden, sonst gab es womöglich keine Verurteilung, keine Fotos auf den Titelseiten, keine Interviews von CNN, keinen schnellen Aufstieg zum Capitol Hill. Er hatte die Leute in seiner Umgebung davon überzeugt, daß ein Schuldspruch auch ohne Leiche möglich war, und das stimmte. Aber er wollte das Risiko nicht eingehen. Er wollte die Leiche.
Fink sah Agent Trumann an. »Wir glauben, daß Clifford wußte, wo die Leiche ist. Haben Sie das gewußt?«
Es war offensichtlich, daß Trumann das nicht gewußt hatte. »Weshalb glauben Sie das?«
Fink legte seine Akten neben sich auf die Bank. »Romey und ich kannten uns schon lange. Wir haben vor zwanzig Jahren zusammen in Tulane studiert. Damals war er ein bißchen verrückt, aber sehr schlau. Vor ungefähr einer Woche hat er mich zu Hause angerufen und wollte über den Muldanno-Fall reden. Er war betrunken, völlig hinüber, redete mit schwerer Zunge und sagte immer wieder, er könnte den Prozeß nicht durchstehen, was immerhin verblüffen mußte, wenn man weiß, wie sehr ihm an diesen großen Fällen gelegen war. Wir redeten eine Stunde lang. Er schweifte immer wieder ab und stotterte …«
»Er hat sogar geweint«, unterbrach Foltrigg.
»Ja, er weinte wie ein kleines Kind. Zuerst hat mich das alles ziemlich überrascht, aber danach konnte nichts, was Jerome Clifford tat, mich wirklich
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